HANNOVER/CELLE. Die „Niedersächsische Allianz für die Krankenhäuser“ schlägt Alarm. Unter dem Titel „Alarmstufe Rot – Krankenhäuser in Not“ haben heute in Hannover 19 Verbände gemeinsam auf die wirtschaftlich angespannte Lage der Kliniken aufmerksam gemacht. An die politisch Verantwortlichen auf Bundes- und Landesebene appellierte das Bündnis, sich schnellstmöglich für eine nachhaltige Absicherung der Kliniken einzusetzen. Im Rahmen eines bundesweiten Aktionstags weisen heute Krankenhäuser deutschland- und niedersachsenweit auf ihre verheerende wirtschaftliche Situation hin. Mit Blick auf die prekäre finanzielle Lage vieler Krankenhäuser fordert Niedersachsens Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi vom Bund, schnellstmöglich 2,5 Milliarden Euro aus den Energiehilfen direkt auszuschütten.
Auch das AKH Celle beteiligt sich am Aktionstag „Alarmstufe Rot – Krankenhäuser in Not“ und unterstützt die Forderungen. Neben einem Inflationsausgleich (vor allem im Hinblick auf massiv gestiegene Sach- und Energiekosten) und Aufstockung der Investitionsmittel müssen aus Sicht des AKH die "noch immer unzureichende Refinanzierung der Personalkosten schnellstmöglich angepackt werden. Gutes Fachpersonal muss fair bezahlt werden – aber die Kosten dürfen nicht bei den Kliniken hängenbleiben", so Sprecher Tobias Mull.
„Die Krankenhäuser in Niedersachsen sind in Not. Die wirtschaftliche Lage in den allermeisten Kliniken ist dramatisch. Das Risiko für Insolvenzen steigt stetig. Erforderlich ist schnellstmöglich ein der Krankenhausreform vorangehendes Vorschaltgesetz des Bundes zur wirtschaftlichen Sicherung. Notwendig sind insbesondere ein wirksamer Inflationsausgleich sowie eine dauerhafte Refinanzierung von Tarifkostensteigerungen“, betonte Helge Engelke, Verbandsdirektor der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG).
Preissteigerungen in nahezu allen Bereichen stellen die Krankenhäuser vor extreme Herausforderungen. Die Kliniken verzeichnen neben coronabedingten Erlösrückgängen massive inflationsbedingte Kostensteigerungen im Personal- und Sachkostenbereich. Das System der Krankenhausfinanzierung ist jedoch nicht auf solche Extremsituationen ausgelegt. Die tatsächlichen Kostenentwicklungen der Krankenhäuser gehen über die vom Bund zwischenzeitlich zugesagten Energiehilfen weit hinaus und werden nach geltender Rechtslage nicht gegenfinanziert. Umfragen der NKG zufolge erwarten die Kliniken in Niedersachsen allein im Jahr 2023 ein Defizit von insgesamt 532 Mio. Euro. Für 2024 sind nach dem Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst weitere Kostensteigerungen absehbar.
„Von der verbändeübergreifenden Allianz sowie dem Schulterschluss von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern geht heute ein klares Signal in Richtung Berlin aus: Bundesgesundheitsminister Lauterbach darf nicht länger tatenlos zusehen, wie die Krankenhäuser einschließlich ihrer Mitarbeitenden schrittweise in die Insolvenz rutschen. Um eine geordnete Anpassung der stationären Versorgung im Interesse der Patientinnen und Patienten zu ermöglichen, muss das Überleben der Krankenhäuser gesichert werden. Die Alternative ist ein eiskalter Strukturwandel mit Insolvenzen, Schließungen und verheerenden Auswirkungen für die Versorgungssicherheit“, so Engelke.
Von der Landesregierung fordert die Allianz eine deutliche Anhebung der regulären Investitionsmittel für den Erhalt und die Modernisierung der bedarfsgerechten Krankenhäuser sowie die Einrichtung eines Sondervermögens, um den bereits bestehenden Investitionsstau in Höhe von rund 3 Milliarden Euro möglichst schnell abzubauen.
"Eine funktionierende Gesundheitsversorgung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – und wir unterstützen die derzeitigen Anstrengungen der Politik, hier sinnvolle und zukunftsfähige Strukturen zu schaffen. Nur diese Prozesse werden Zeit brauchen – und diese Zeit haben die Krankenhäuser nicht. Vor allem aufgrund der hohen Inflation, der kriegsbedingten Kostensteigerungen und diverser Nachwirkungen der Corona-Pandemie benötigen die Kliniken jetzt sofort finanzielle Hilfen", so Mull abschließend.
2,5 Milliarden für kurzfristige Stabilisierung der Krankenhäuser – Gesundheitsminister Philippi fordert schnelle und direkte Auszahlung der Energiehilfen
Mit Blick auf die prekäre finanzielle Lage vieler Krankenhäuser fordert Niedersachsens Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi vom Bund, schnellstmöglich 2,5 Milliarden Euro aus den Energiehilfen direkt auszuschütten. Philippi sagte heute in Hannover: „Wir dürfen keine Zeit verlieren, viele Krankenhäuser sind in finanzielle Schieflage geraten. Durch die von Niedersachsen initiierte pauschalierte Auszahlung von 2,5 Milliarden Euro aus den Energiehilfen könnten viele Krankenhäuser kurzfristig stabilisiert werden. Das ist dringend notwendig, damit im Kern gut aufgestellte Krankenhäuser erhalten bleiben. Ich appelliere daher an den Deutschen Bundestag, die Gelder schnell freizugeben und damit unbürokratische Hilfe auf den Weg zu bringen. Das muss unbedingt vor der Parlamentspause erfolgen, sonst müssen im Sommer womöglich Krankenhäuser in die Insolvenz, die wir für eine gute flächendeckende Gesundheitsversorgung benötigen.“
Der Bund hatte wegen der Energiekrise ein Energiehilfe-Programm für Krankenhäuser in Höhe von 4,5 Milliarden Euro gestartet, der Abruf der Mittel kam aber nur schleppend voran. Daraufhin hatte Niedersachsens Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi vorgeschlagen, einen Teil der Gelder als Pauschale an die Krankenhäuser auszuzahlen. Bundesgesundheitsminister Lauterbach schloss sich dem Vorschlag an und bat die Bundestagsabgeordneten der Ampel-Koalition um entsprechende Umwandlung von 2,5 Milliarden Euro.
Die Pläne der CDU-Landtagsfraktion, Krankenhäuser über Bürgschaften der NBank unter die Arme zu greifen, hält Philippi hingegen für unwirksam. „Das bedeutet, rote Zahlen mit noch röteren Zahlen bekämpfen zu wollen. Krankenhäuser in die Kreditfalle zu treiben, ist eine schlechte Idee. Sowohl für die Krankenhäuser, die noch mehr Schulden anhäufen, wie auch für die NBank, die womöglich auf den nichtbedienten Krediten sitzen bleibt,“ so der Gesundheitsminister. Zudem sei nicht einzusehen, dass das Land die Betriebskostenfinanzierung vom Bund übernehme. Philippi: „Es gibt klare Zuständigkeiten bei der Krankenhausfinanzierung und die Betriebskosten sind zu 100 Prozent Bundessache. Das Land und die Träger kümmern sich um die Investitionen. Dafür stellt das Land in den nächsten Jahren auch 1 Milliarde Euro bereit. Bei der kurzfristen Unterstützung bei den Betriebskosten muss der Bund ran. Daher ist die direkte Auszahlung der Energiehilfe auch der richtige Weg.“
Philippi erklärte zudem, dass die grundlegende Neufassung der Krankenhausfinanzierung im Rahmen der Krankenhausreform des Bundes zeitnah zum Abschluss kommen müsse. „Denangestrebte Paradigmenwechsel weg von reinen Fallpauschalen hin zu einem gesunden Mix aus Vorhaltekosten plus Fallpauschalen begrüße ich sehr. Damit nehmen wir Druck aus dem System und steigern die Qualität“, so Philippi. Jetzt gehe es darum, die Details zu klären, die Eckpunkte zu beschließen und parallel gemeinsam ein Gesetz zu erarbeiten. Philippi: „Ziel muss sein, dass das Gesamtprodukt Krankenhausreform 2024 an den Start gehen kann. Das kann gelingen, wenn alle Beteiligten vertrauensvoll und verlässlich auch über den Sommer hinweg weiterarbeiten. Ich bin optimistisch, dass das gelingen kann. Niedersachsen wird sich entsprechend weiterhin konstruktiv einbringen.“
Niedersächsische Allianz für die Krankenhäuser
Die Niedersächsische Allianz für die Krankenhäuser ist ein Zusammenschluss von 19 Verbänden und Organisationen der in den Krankenhäusern vertretenen Berufsgruppen und Krankenhausträger. Die Allianz vertritt deren gemeinsame Interessen, indem sie sich für eine angemessene Vergütung der guten Arbeit sowie für die Wertschätzung der Tätigkeit der Menschen in den Krankenhäusern durch Gesellschaft und Politik einsetzt.