CELLE. Eine Chance zu echter Bürgerbeteiligung hat der Stadtrat in seiner jüngsten Sitzung vertan: 12 Schreiben von Einwohnern mit insgesamt 26 Fragen zur Sanierung der Breiten Straße, die eine Abholzung der Lindenallee vorsieht, gingen fristgerecht im Vorfeld bei der Verwaltung ein. Doch nur eine wurde verlesen und vom verantwortlichen Fachbereichsleiter Jens Hanssen beantwortet, obwohl Ratsfrau Johanna Thomsen (Grüne) gleich zum Auftakt beantragt hatte, die vorgesehene Zeitspanne von 30 Minuten für die Einwohnerfragestunde zu verlängern.
Nicht einmal diese halbe Stunde benötigte der Vorsitzende Joachim Falkenhagen (FDP) für die Abwicklung dieses Tagesordnungspunktes, allerdings unter Missachtung moderner Kommunikationsformen. Der Liberale lässt nur die Fragen zu, deren Urheber persönlich anwesend sind. Wer den Livestream im Internet verfolgt, erhält nach einigen Tagen eine schriftliche Reaktion, ein öffentliches Forum bleibt daher aus. Falkenhagen interpretiert die Geschäftsordnung auf diese Weise, manch Einwohner sieht dieses auf Basis entsprechender Paragraphen anders. Ein klärendes Statement der Rathaus-Justiziarin Katharina Martin blieb bei dieser Angelegenheit ebenso aus wie bei der Rücknahme von Anträgen zur Breiten Straße von Seiten der Grünen und der SPD. Es herrschte Uneinigkeit, ob eine Rückziehung eine Wiederaufnahme in der kommenden Zusammenkunft unmöglich mache. Die Sitzung musste eigens unterbrochen werden, damit die Fraktionen sich abstimmen konnten. Die Anträge wurden zurückgenommen, und dennoch dominierte die Sanierung des Straßenzuges am Rande der Altstadt die Versammlung.
Die Gruppe für Nachhaltigkeit und Vielfalt hatte einen entsprechenden Paragraphen herangezogen und stellte Fragen an die Verwaltung, u.a. nach dem aktuellen Entwurf zur Umgestaltung. Mit einer so ausführlichen Antwort, wie Jens Hanssen sie ablieferte, hatte keiner gerechnet. Johanna Thomsen bedankte sich ausdrücklich für die Präsentation, in der Hanssen erneut die guten Gründe, die für eine Abholzung sprechen, darlegte. Die Gründe für eine Sanierung im Bestand sind ebenso gut, werden vom Rathaus jedoch nicht favorisiert und mit Mehrkosten in Höhe von einer Million Euro allein für die Kanalarbeiten beziffert. Angepasst hat der Fachbereichsleiter im aktuellen Entwurf den Standort der Neuanpflanzungen, der bisher nach an den Häusern vorgesehen war. „Wir gehen weiter in den Straßenraum hinein“, erläuterte der Experte. Es werde wieder eine Lindenart gepflanzt, der Alleecharakter werde nicht nur wieder hergestellt, sondern sogar verbessert. Johanna Thomsen brachte in ihrem anschließenden Wortbeitrag ein bisher in der Gesamtdiskussion unterrepräsentiertes Thema ins Spiel: „Ist die Kommune befugt, in der geplanten Weise mit einem denkmalgeschützten Objekt umzugehen?“ „Ja, wir sind die Untere Denkmalschutzbehörde. Natürlich haben wir die Denkmalfrage geklärt“, antwortete Jens Hanssen, Hannover brauche man nicht.
In der Tat sieht es das Gesetz so vor: „Die Planungen bedürfen einer Genehmigung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes (NDSchG). Dafür ist gemäß § 20 Abs. 1 NDSchG die untere Denkmalschutzbehörde der Stadt Celle zuständig“, schreibt die stellvertretende Pressesprecherin des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur (MWK) Inka Burow auf CH-Anfrage. Dieses übe als oberste Denkmalschutzbehörde die Fachaufsicht aus, da die Aufgaben der Unteren Denkmalschutzbehörden zum übertragenen Wirkungskreis gehörten. „Eine Bitte um fachaufsichtliche Begleitung oder Überprüfung liegt dem MWK nicht vor“, schreibt Inka Burow.
Dieses wird sich ändern, ein Celler Bürger hat angekündigt, mit entsprechenden Schritten aktiv zu werden.