CELLE. Mit einer musikalischen Lesung präsentierte der C.H. Beck Verlag „Das Buch der Liebe“ im Celler Schlosstheater. Der Titel klingt beliebig, aber es handelt sich um etwas ganz Besonderes in zweierlei Hinsicht: Mit Bezug auf den gesamten deutschsprachigen Raum wird die Übersetzung von Texten aus der weltberühmten arabischen Geschichtensammlung „Tausendundeine Nacht“ in Fachkreisen als „literarische Sensation“ bezeichnet. Und mit regionalem Blick ist die Buchpremiere außergewöhnlich, weil das Werk im Celler Land entstanden ist – in Beedenbostel. Dort lebt und arbeitet die Orientalistin, Übersetzerin und Musikerin Dr. Claudia Ott.
Gemeinsam mit ihrem Verlag setzte sie am Sonntagabend voll und ganz auf die Kraft und Wirkung ihres Buches der Liebe in Verbindung mit arabischer Musik. Wortlos, ohne Begrüßung der zahlreich erschienenen Zuschauer betrat eine Gruppe von 14 Frauen und Männern die Bühne, nahm im Halbkreis Platz. Und dann ging die Reise los in die Welt des Orients. Das Ibtahidsch-Ensemble spielte auf traditionellen Instrumenten, Ott selbst steuert die Flöte bei, die Sängerin verzaubert mit Gesang vor sparsam, aber wirkungsvoll gestaltetem Bühnenbild. Erste Worte sind dem Meister der Rezitation aus Bargfeld, Hermann Wiedenroth, vorbehalten. Basra und Bagdad fallen als Ortsnamen in seiner vorgetragenen Geschichte vom Sohn des ägyptischen Herrschers, der sich aufmacht, um seine Angebetete zu finden. Krieg und Terror, mit denen wir heutzutage diese Städte fast ausschließlich in Verbindung bringen, bleiben draußen. In den Köpfen entsteht eine Welt aus tausend und einer Nacht, wie der Orient umgangssprachlich bezeichnet wird. Eine dichte Atmosphäre vermittelt sich, und dazu ist die Story spannend, wird der schöne Königssohn seine Traumfrau finden? Wir erfahren es nicht, Wiedenroth bricht einfach mittendrin ab.
„Ja, das ist das Prinzip von Tausendundeiner Nacht“, sagt Claudia Ott lachend, Scheherazade las ja immer nur, bis der Morgen anbrach, so hatte die zum Tode Verurteilte wieder einen Tag Leben gewonnen, denn der grausame Herrscher würde den Fortgang der Geschichte am Beginn der kommenden Nacht hören wollen.
Dr. Ulrich Nolte vom C.H. Beck Verlag stellt als ein Mitglied des Halbkreises, der sich neben den Musikern aus Otts Übersetzerwerkstatt zusammensetzt, die richtigen Fragen an die Expertin, um dem Publikum ein wenig Hintergrundwissen zu vermitteln. Seit mehr als 300 Jahren existieren europäische Versionen der arabischen Geschichtensammlung. Die erste entstand im Jahr 1704 in Frankreich. Der Adel geriet in einen Orientrausch, der sich ins Bürgertum fortpflanzte, es gab Hin- und Her-Übertragungen. Doch die europäische Rezeptionsgeschichte war laut Nolte eine ganz eigene. Sie wird von Ott außen vorgelassen, die Orientkennerin stützt sich einzig und allein auf die originalen arabischen Quellen. Anlass für Nolte den gestrigen Abend im Schlosstheater als „historischen Moment“ zu bezeichnen. Sehr unterhaltsam und lehrreich war er außerdem.