CELLE/UELZEN. Ist es nur die Ruhe vor dem Sturm? Oder sieht man hierzulande keinen Handlungsbedarf? Geht es um das Thema Wolf, dann spielt die Musik derzeit nicht im Landkreis Celle, sondern in der Nachbarregion Uelzen – Besuch des stellvertretenden bayerischen Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger, hochkarätig besetzte, vom MdB Henning Otte initiierte Podiumsdiskussion, ein offener Brief an die Landesregierung und zuletzt eine einstimmig gefasste Resolution des Uelzener Kreistags.
Darin fordern die Mitglieder, Grüne inclusive, unter Federführung von Landrat Dr. Heiko Blume die Bundesregierung auf, darauf hinzuwirken, dass die Europäische Kommission den Schutzstatus des Wolfs unverzüglich überprüfe mit dem Ziel festzustellen, dass er in Deutschland, auf jeden Fall aber in Niedersachsen, keine gefährdete Art im Sinne der Fauna-Flora-Habitat(FFH)-Richtlinie mehr sei. Weiterhin solle er aus der Liste der streng zu schützenden Tier- und Pflanzenarten in den Bundesgesetzen herausgenommen werden, um die Bejagung des Wolfes auf Grundlage eines festzusetzenden Abschussplanes pro Landkreis zu ermöglichen, allerdings nur in den Monaten, in denen die Welpen nicht zwingend auf die Fähe als Muttertier angewiesen sind. Das restliche Jahr über soll die Entnahme sogenannter Problemwölfe und -rudel zum Schutz insbesondere von Weidetieren oder Menschen durch die unteren Naturschutzbehörden vorgenommen werden können, und zwar zügig und praktikabel, insbesondere ohne überbordenden Verwaltungsaufwand.
ALLE STUFEN DURCHLEBT
„Das ist ein mutiger Schritt“, kommentiert der frühere Schafzüchter Matthias Müller den Beschluss der Uelzener Kreispolitik. Der Bargfelder Landwirt aus dem Landkreis Celle steht exemplarisch für all jene Weidetierhalter, die trotz angewandten Herdenschutzes in allen Varianten von Übergriffen des Wolfes extrem betroffen waren und in der Folge den Betrieb auch auf Anraten der Landwirtschaftskammer aufgaben. „Ich musste miterleben, dass die erwirkte Abschussgenehmigung im bürokratischen Dickicht strauchelte und nie zur Entnahme führte“, blickt er zurück. Der Bargfelder hat alle Stufen durchlaufen, die das Aufeinandertreffen eines Beutegreifers mit der auch für die Artenvielfalt notwendigen Haltung von Weidetieren nach sich ziehen kann. „Günstiger Erhaltungszustand, Monitoring, Problemwolf – ich kann das alles nicht mehr hören“, sagt der 65-Jährige vor dem Hintergrund der jahrelangen aus seiner Sicht eingleisigen, schwerfälligen und von falschen Annahmen ausgehenden Bemühungen, die Situation seit der Rückkehr Isegrims im Jahr 2012 zu bewerten und zu managen. „Es gibt keinen Problemwolf, er folgt seiner Natur, wenn er leicht an Beute kommt, dann nutzt er die Chance. In unserer Kulturlandschaft wird ein Miteinander nicht möglich sein“, schlussfolgert Matthias Müller.
KEINE NATURLANDSCHAFT MEHR
So weit geht Kreisjägermeister Helge John nicht: „Der Wolf hat hier seinen Platz, aber wir können einer Art nicht alles andere unterordnen“. John steht voll und ganz hinter den Forderungen der „Uelzener Erklärung“. Dem regelmäßig vom NABU angeführten Argument, der Wolf sei wichtig fürs ökologische Gleichgewicht, hält John entgegen: „Ja, für natürliche Lebensräume, aus denen der Mensch sich rausgehalten hat, träfe das zu. Aber die gibt es bei uns nicht mehr. Wir haben die Landschaft nach unseren Bedürfnissen gestaltet.“ Er plädiert für eine Wolfsdichte, „die wir für richtig halten. Das machen wir mit allen anderen Wildtieren auch so.“ Der Kreisjägermeister betont, er werfe niemandem etwas vor: „Alles Wissen, das wir hatten, stammte doch aus der Theorie.“ Wie der Bargfelder Landwirt führt John die Aussagen, die von offizieller Seite in den vergangenen Jahren postuliert und sich allesamt als falsch erwiesen haben, auf: „Der Wolf braucht Wald, wurde gesagt. In Ostfriesland gibt es davon wenig, trotzdem kommt er dort bestens zurecht.“ Der Wolf reißt keine Rinder, keine Ponys, keine Pferde, der Wolf überspringe bestimmte Zaunhöhen nicht – die Praxis bewies das Gegenteil. Denjenigen, die argumentieren, die Wolfspopulation regele sich ab einem bestimmten Punkt von selbst, antwortet der Kreisjägermeister: „Wenn alle Territorien belegt sind, wirklich alles besetzt ist, dann trifft das zu, aber davon sind wir weit entfernt.“
Der Fachmann hält es für extrem wichtig, die betroffenen Menschen mitzunehmen. Hier gebe es eine Kluft zwischen ländlichen und urbanen Räumen. „Mancher Städter sitzt in der Jack Wolfskin-Hose am Kröpcke und findet die Natur klasse“, veranschaulicht der Escheder einen Umstand, der seiner Ansicht nach mitverantwortlich ist für den politischen Umgang mit dem Wolf. „Die Mehrzahl der Wähler findet sich nun mal in den Ballungsgebieten. So macht man heutzutage eben Politik“, lautet seine Erklärung für die offizielle Herangehensweise.
Der Uelzener Landrat Dr. Heiko Blume greift den Punkt in der Resolution auf: Wegen seiner massiven Ausbreitung werde der Wolf im ländlichen Raum immer weniger akzeptiert. Es müsse endlich in Brüssel, Berlin und Hannover gehandelt werden, „es muss was passieren“, fordert der Kommunalpolitiker. Auf die Anfrage von CELLEHEUTE, ob es ähnliche Pläne für den Landkreis Celle gebe, antwortet Landrat Axel Flader: „Wie Sie wissen, beschäftigt uns das Thema Wolf bereits seit einigen Jahren sehr intensiv, gerade auch mit Blick auf das Spannungsfeld Artenschutz und Weidetierhaltung. Ich möchte mich in den kommenden Wochen auch noch einmal mit meinen Landratskolleginnen und -kollegen austauschen, um zu schauen, wie die Situation in den Landkreisen sich darstellt und ob sich daraus weitere Handlungserfordernisse ergeben. Wir nehmen die Uelzener Erklärung wahr und werden sie in den weiteren Gesprächen berücksichtigen. Welche Konsequenzen das für den Landkreis Celle hat, müssen wir in den nächsten Wochen besprechen.“
Eine Antwort, die Matthias Müller, der mittlerweile Rinder züchtet und weiterhin in Sorge vor Übergriffen lebt, keineswegs zufriedenstellt: „Ich würde mir wünschen, der Celler Landrat würde sich den Forderungen aus Uelzen anschließen, die zeigen doch wie’s geht. Sie handeln, während bei uns weiterhin nur geredet wird.“