CELLE. Das Papier war ein Kompromiss, „eine weichgespülte Variante“, wie Klaus Didschies (CDU) den Entwurf der Verwaltung für eine Baumschutzsatzung bezeichnete. Aber selbst diesen, den auch die Celler Klimaplattform sowie die AG Baum des BUND Celle für nicht ausreichend erklärt hatten, lehnte die Mehrheit der Ratsmitglieder in der gestrigen Sitzung ab. Alles bleibt - nach mehr als zweijähriger Diskussion und Ringen um eine Lösung - wie es ist. Lediglich rund 900 Bäume unterstehen im Stadtgebiet explizit einem Schutz, weil sie gelistet sind in der Vegetationsschutzsatzung, einer hausgemachten rechtlichen Grundlage des Neuen Rathauses.
Initiatoren für den Vorstoß, an dieser Situation etwas zu ändern, waren die SPD und die Grünen. Sie stellten vor drei Jahren einen entsprechenden Antrag, der von Seiten der Verwaltung nicht sehr wohlwollend aufgenommen wurde. Zu hoch der personelle Aufwand und die Kosten für die Einführung einer neuen Regelung, die die Bäume und Hecken auf öffentlichen Flächen der Stadt gar nicht betroffen hätte, sondern als Geltungsbereich „die Siedlungsgebiete der Stadt und ihrer Ortsteile“ definiert hatte. Nadelbäume waren - anders als von den Ideengebern gewünscht - gar nicht genannt worden im Satzungsentwurf, beim Stammumfang einigte man sich auf mindestens 100 cm. Hecken in Parks blieben ebenfalls unerwähnt, lediglich freiwachsende Hecken mit einer durchschnittlichen Höhe von 3 Metern wurden zu „geschützten Landschaftsbestandteilen“ erklärt. Dass Bedienstete und Beauftragte der Stadt berechtigt worden wären, zur Durchsetzung der Satzung private Grundstücke zu betreten, griffen Gegner einer neuen Regelung beherzt auf, führten es als Gegenargument ins Feld ebenso wie die Geldbußen von bis zu 5.000 Euro aufgrund einer Ordnungswidrigkeit.
"Unter grüner Bürgermeisterin mehr abgeholzt als in 25 Jahren vorher"
Hauseigentümer könnten womöglich aus Angst vor einer Baumschutzsatzung vorsorglich fällen, stand als weiteres „Argument“ im Raum. Das bunte Bündnis für Vielfalt sowie die SPD zeigten sich angesichts von so viel Widerstand kompromissbereit, schraubten herunter und liefen nun dennoch ins Leere.
Von „Umwelt und Naturschutz mit Augenmaß“ sprach Dr. Udo Hörstmann (Unabhängige), die AfD führte die von der Verwaltung bezifferten Kosten in Höhe von 200.000 Euro ins Feld, Dr. Michael Bischoff (CDU) sprach von der Gängelung der Bürger und titulierte die Vorschläge als „Baumvernichtungsinitiative“.
Noch weiter lehnte sich sein Parteikollege und früherer CDU-Ortsbürgermeister von Klein Hehlen, Klaus Didschies, aus dem Fenster. Er leitete seine Stellungnahme ein mit dem Hinweis, unter seiner Nachfolgerin Karin Abenhausen (Grüne) seien in den vergangenen Monaten in Klein Hehlen mehr Bäume gefällt worden als in seiner gesamten 25-jährigen Amtszeit. Einzelne Waldgebiete hätten in dem Stadtteil nach dem Willen der Verwaltung durchforstet werden sollen. Mitarbeiter hätten sich ihm gegenüber dahingehend geäußert, dass umfassend abgeholzt worden sei, „weil wir diesen Zirkus um jeden Baum nicht jedes Mal mitmachen wollen“.
„Freie Säge für freie Bürger gibt es nicht!“
Aussagen, die allesamt Widerspruch herausforderten, der von Jürgen Rentsch (SPD), Juliane Schrader (Grüne), Patrick Brammer (SPD), Johanna Thomsen und Bernd Zobel (Grüne) artikuliert wurde. Stephan Ohl (Grüne) hielt ein Sachargument parat, das für Garteneigentümer völlig unabhängig von Celler Regelungen von Bedeutung ist. Er verwies auf den § 17 des Bundesnaturschutzgesetzes, der von den Verwaltungen in Niedersachsen durchgesetzt werden müsse. Der Inhalt lässt sich in einer kurzen von Ohl verwendeten Formel zusammenfassen: „Freie Säge für freie Bürger gibt es nicht!“