HANNOVER. Anlässlich der Diskussion um die Tarifeinigung für kommunale Kita-Erziehungskräfte (CELLEHEUTE berichtete) sieht der Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes (NSGB), Dr. Marco Trips, immer größere Schwierigkeiten bei der Fachkräfteproblematik im Bereich der Kinderbetreuung:
„Wir haben einen Tarifkonflikt hinter uns, der deutliche Verbesserungen in der Arbeitszeit und der Bezahlung von Erzieherinnen gebracht hat. Das ist auch in Ordnung, um die Attraktivität des Berufes zu verbessern. Aber um eine Betreuung in derzeitigem Umfang sicherzustellen, wird diese Denkweise nicht ausreichen. Niemand in der Politik benennt die Probleme und die Lösungsansätze hart beim Namen, obwohl die Fakten bekannt sind.“ Trips sieht zwei große Problemfelder: Die Finanzierbarkeit der Kinderbetreuung durch die Kommunen und die fehlenden Fachkräfte.
„Die KiTa-Betreuung macht in allen Gemeinden den allergrößten Anteil im Haushalt aus, der im Verhältnis zu anderen Aufgaben immer weiter ansteigt, auch durch Tarifergebnisse wie dem jetzigen. Wenn immer bessere Standards und vor allem zusätzliche Betreuungszeiten eingerichtet und gefordert werden, sprengt das irgendwann die finanzielle Masse der Kommunen“, so Trips weiter.
Entscheidend sei aber der Fachkräftemangel. Seit langem fordere der NSGB die Einrichtung einer einheitlichen dualen dreijährigen Erzieherinnen-Ausbildung mit Bezahlung durch die Kommunen. Den Fachverbänden und Gewerkschaften wirft er eine Blockadehaltung vor. „Wir wären jetzt schon weiter, wenn nicht seit zehn Jahren die Fachverbände ein zu niedriges Qualitätsniveau befürchten würden.“ Trips findet mahnende Worte: „Während die Politik mit Beitragsfreiheit, Ganztagsgrundschule und dritten Kräften immer neue Wahlversprechen macht, schränken die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister vor Ort schon die normalen Betreuungszeiten ein, weil sie keine Erzieherinnen mehr finden. Wir werden ganz sicher Standards absenken müssen, wenn die ganztägigen Betreuungszeiten gehalten bzw. erreicht werden sollen.“
Trips bedauert, dass niemand bereit sei, die unangenehmen Folgen und Lösungsansätze des Fachkräftemangels im KiTa-Bereich in den Mund zu nehmen, und wird deutlich: „Wenn der Markt an Fachkräften begrenzt ist, gibt es derzeit nur zwei Stellschrauben: Entweder den Betreuungsumfang zurücknehmen – das geschieht schon teilweise vor Ort. Oder die Qualitätsstandards der Betreuung senken, was die Anforderungen an ausgebildete Kräfte und Gruppengrößen angeht. Wir brauchen keine Akademisierung der Kinderbetreuung, sondern praxisnah und kompakt ausgebildete Kräfte, die nach drei Jahren in der Lage sind, eine KiTa-Gruppe zu leiten. Sonst sind wir eben aufgrund des Kräftemangels irgendwann bei der Lese-Omi. Dann besser die Ansprüche jetzt etwas zurücknehmen.“ So ehrlich müsste die Diskussion geführt werden. Abschließend regt Trips an, einen Dialog über die Zukunft der kindlichen Betreuung und Bildung mit allen Beteiligten zu führen: „Es wäre eigentlich Aufgabe des Landes, hier alle an einen Tisch zu holen und zukunftsweisende Konzepte zu erarbeiten. Stattdessen werden neue Wahlgeschenke wie Drittkräfte oder Tabletts versprochen. Wir sind gerne bereit, einen solchen Dialog zu führen.“
Hintergrund:
Ende letzter Woche haben sich die kommunalen Arbeitgeber und Gewerkschaften im Tarifstreit um kommunale KiTa-Erziehungskräfte verständigt. Die Einigung sieht insbesondere zusätzliche Entlastungstage und monatliche Zulagen für die bundesweit rund 330.000 kommunale Kita-Erziehungskräfte und andere Beschäftigte in sozialen Berufen vor.