CELLE. Wäre die finnische Handschrift sofort erkennbar gewesen, wenn die Kunstwerke in der Gotischen Halle gemixt, und nicht nach Ländern getrennt gehängt worden wären? Bei zahlreichen der insgesamt 15 Arbeiten aus der finnischen Partnerstadt Hämeenlinna lautete die Antwort wohl „ja“, denn der Stil ist ein ganz eigener, manche Exponate wie die Keramik sind sehr typisch für das skandinavische Land. „Finland is famous for design“, hob die Kulturdezernentin der Stadt, Susanne McDowell, in ihrer Ansprache auf Englisch und Deutsch hervor anlässlich der Eröffnung der diesjährigen Sommerausstellung des Bundes Bildender Künstler und Künstlerinnen Celle (BBK) im Schloss.
Die Schau ist eine besondere, denn sie nutzt das 50-jährige Jubiläum der Städtepartnerschaft mit Hämeenlinna, um Kunst aus beiden Orten zusammenzuführen. Die Mitglieder des BBK wie die Vertreter der finnischen Künstlergruppe „Hämeenlinnan Taiteilijaseura“ arbeiteten zum Thema „Neue Zeit – Neues Leben“. „Structural Changes“ hat Mintta Saarinen ihr großformatiges Werk, das ein Gesicht umrahmt von riesigen Rosenblüten zeigt, überschrieben. „Die Lockdowns haben uns der Natur nähergebracht“, sagt Saarinen auf Englisch. Mit der Natur verschmelzen ist die Kernaussage des Bildes, das die Blicke auf sich zieht und Plakatqualität aufweist, undefinierbar hingegen die Aufmachung des schlicht zweifarbigen Flyers zur Ausstellung, die am Sonntag mit einer sehr gelungenen und gut besuchten Vernissage eröffnet wurde.
Hanna Mehl begleitete musikalisch und sorgte mit ihren intensiven, stimmgewaltigen Songs gleich zum Auftakt für ein Highlight, das korrespondierte mit geballter Kunst an den gewölbten Wänden und inmitten der Gotischen Halle. Zahlreiche Skulpturen, eine Videoinstallation, in verschiedenen Techniken gemalte oder gezeichnete Bilder und Collagen zogen das Interesse der Besucher auf sich. Einige Kinder waren darunter, und diese hatten ihren Favoriten schnell ausgemacht: ein „finnischer“ Hase, zusammengesetzt aus tausend Puzzleteilchen, der auf eine Landschaft, kreiert aus dem gleichen Material, schaut, animierte auch die Kleinen zu genauem Hinsehen. Wie kein anderes Exponat veranschaulicht er in seiner zarten, filigranen und luftigen Beschaffenheit die Zerbrechlichkeit unserer von Kriegen, Krankheiten und Klimakrise geschundenen Welt. Jens Hemme hat mit seiner „Bleizeit“ das Gegenstück zu Vilkuna Anres „Piece by Piece“ kreiert und denselben Effekt erzielt. Schwer, düster, kaputt und angerostet wirken die Materialien seiner „Assemblage auf Spanplatte“ und können interpretiert werden als Sinnbild der Hoffnungslosigkeit.
Wie vielfältig sich das Leitmotiv „Neue Zeit, neues Leben“ umsetzen lässt, zeigen die dekorative „Lesende“ von Natascha Engst-Wrede, das mit Kindermotiven- und Malweisen spielende „Das letzte Abendmahl“ von Joachim Weigt oder die formvollendeten Skulpturen des BBK-Vorsitzenden Norbert Diemert. Ein roter Faden ist - anders als bei den finnischen Arbeiten - kaum erkennbar, was die Attraktivität der sehr sehenswerten Ausstellung kaum mindert.
7. – 28. August 2022, Di-So 13 – 17 Uhr, Gotische Halle, Celler Schloss