CELLE. Lange Zeit wurden überwiegend Fälle von sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche thematisiert. Spätestens seit einer Studie des Forschungsverbunds ForuM im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) weiß man jedoch: In der evangelischen Kirche gab es mehr Missbrauchsvorfälle als anfangs angenommen. Bei der Prävention soll nun ein Schutzkonzept helfen, das jede Kirchengemeinde beschließen muss – auch im Kreis Celle.
"Die Kirche lebt zum Großteil von analogen Begegnungen. Da muss man mit dem Thema bewusst umgehen."
"Wir haben eine Verpflichtung, uns als Kirche mit sexualisierter Gewalt auseinanderzusetzen, auch mit solchen Fällen, die schon länger zurückliegen. Die Kirche lebt zum Großteil von analogen Begegnungen. Da muss man mit dem Thema bewusst umgehen, damit Grenzen nicht überschritten werden", sagt Superintendentin Dr. Andrea Burgk-Lempart. Seit Anfang 2023 arbeitete der Kirchenkreis Celle an seinem eigenen Schutzkonzept. Zusätzlich hat jede Kirchengemeinde eine eigene Risikoanalyse vorgenommen. Anfang April wurde das Konzept in der Celler Kirchenkreis-Synode beschlossen, in der alle Kirchengemeinden vertreten sind.
Schulungen im Kirchenkreis
Als nächsten Schritt stehen jetzt Schulungen im ganzen Kirchenkreis an, die Pastorenschaft hat bereits eine Grundschulung bekommen. Insgesamt betrifft das ein paar Hundert Menschen von Kirchenvorständen bis hin zu Teamern. Das dauert. "Wir müssen alles dafür tun, das Risiko so minimal wie möglich zu halten und das Thema immer wieder ins Gespräch zu bringen. So merken potenzielle Täterinnen und Täter: Sexualisierte Gewalt ist kein Tabuthema", sagt Burgk-Lempart und der Altenceller Diakon Sebastian Schulze ergänzt: "Es ist ein fester Bestandteil bei unseren Juleica-Schulungen zu sensibilisieren." Für zusätzliche Sichtbarkeit sollen Plakate mit den jeweiligen Ansprechpartnern für Opfer sexualisierter Gewalt sorgen, die in jeder Kirchengemeinde aufgehängt werden.
Herausforderungen bei der Umsetzung
Insgesamt sei das Schutzkonzept bisher gut in den Gemeinden aufgenommen. Doch es gibt auch Unverständnis für den ganzen Aufwand – gerade bei Älteren. Pastor Titus Eichler hat schon das ein oder andere Mal Sätze wie "Früher konnten wir das aber doch auch machen" gehört hat. "Meine Antwort ist dann immer: Nein, früher war das auch nicht richtig, wurde aber nicht thematisiert."
Vor jeder größeren Aktion wie zum Beispiel Konfirmanden-Freizeiten müssen alle Teilnehmer eine Selbstverpflichtungserklärung unterschreiben. Der Aufwand sei zwar nicht unerheblich, doch leiste auch ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur Sensibilisierung gegen sexualisierte Gewalt, so Burgk-Lempart.