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Gottesdienst zu "Leben und Tod"


Foto: Alex Raack

CELLE. Besondere Gäste in einem besonderen Rahmen: Am vergangenen Sonntag predigte Dr. Stephan Schaede, Regionalbischof im Sprengel Lüneburg, in der Stadtkirche St. Marien. Vor ihm in der ersten Reihe: Uwe Appold, Designer, Bildhauer und Maler und seit dem 9. Februar mit seiner aktuellen Ausstellung "…noch bist du da" zu Gast in Celle.

Zwischen den beiden prominenten Gottesdienstbesuchern hingen die Ergebnisse des generationenübergreifenden Mal-Workshops mit dem Titel „Erzähl mir deine Geschichte“, den Appold tags zuvor im Nordschiff der Stadtkirche angeboten hatte. Die Idee dahinter: Paarweise durften sich die TeilnehmerInnen innerhalb von fünf Minuten eine Geschichte aus ihrem Leben erzählen, anschließend war der Gegenüber eingeladen, das Erzählte auf die Leinwand zu bringen. Eine „wunderbare Übung für Achtsamkeit und Vertrauen“, sei der Workshop gewesen, berichtete Appold im Gespräch mit Stadtkirchen-Pastor Volkmar Latossek und hob dabei das bunte Bild voller Luftballons einer älteren Dame hervor, die die Geschichte ihrer Enkelin künstlerisch verarbeitet hatte.


„Wir als Kirche“, betonte Appold, „sind die Fachleute für das Leben und für den Tod.“ Seine Werke, so der Künstler, würden immer auch den Dialog mit dem Ausstellungsort suchen – eine Beschreibung, die umso treffender wirkte, denn während man in den Zuschauerreihen seinen Erklärungen zuhörte, waren an der rechten Seite der Stadtkirche Bilder der Ausstellung zu sehen und ganz vorne leuchteten die zumeist bunten und lebensfrohen Workshop-Leinwände.

Auch Regionalbischof Dr. Stephan Schaede ging in seiner Predigt zunächst auf die Ausstellung ein. „…noch bist du da“, so Schaede, „wie ein Weckruf wirkt dieser Titel eines Gedichtes von Rose Ausländer auf mich, ein Weckruf, ein drängender Impuls, das eigene Leben intensiv wahrzunehmen, die eigene Lebenszeit auszukosten und Todesangst zu überwinden.“ Die vermeintliche Widersprüchlichkeit der Ausstellung deutete der Gast aus Lüneburg anschließend auch auf Celle um: „Ach, Celle, bezauberndes Fachwerk 400fach, schöne Symmetrien, ein Barocktheater, ein aus Spenden von Bürgerinnen und Bürger hervorgegangenes Museum, das sich sehen lassen kann.“ Aber eben auch: „Ach, Celle in einem Jahr weit über 3.000 Fälle häuslicher Gewalt, weit über 200 Fälle strafrechtlich dingfest gemachter sexueller Übergriffe. Rauschgiftdelikte nehmen zu. Es wird mehr geraubt. Querdenker belagern die Innenstadt. Ein Demonstrant schlägt einen Polizeibeamten ins Gesicht. Welches Bild wäre wohl von Celle zu malen?“

Besonders intensiv wurde die Predigt des Regionalbischofs, als er sich inhaltlich mit den aktuellen Fällen von sexualisierter Gewalt auseinandersetzte: „Vor allem einige Pfarrer haben erbärmlich versagt und so das Vertrauen in die Arbeit der übergroßen Mehrheit, die sich ehrenamtlich und hauptamtlich wirklich großartig für ihre Kirche engagiert, in verantwortungsloser Weise gefährdet.“ Über die gegenwärtige Aufarbeitung der Fälle sagte Schaede: „Gut, dass das jetzt endlich professionell geschieht.“ Allerdings: „Unsere Kirche reagierte träge, zögerlich und war auf unheimliche Weise barmherziger mit den Tätern als mit den Betroffenen. Unsere Scham, unser Schuldbekenntnis kommt wahrlich nicht zur rechten Zeit, es kommt entsetzlich spät.“

Schon bei seinem ersten Besuch als neuer Regionalbischof des Sprengels hatte sich Schaede mit sehr direkten Worten über die Zukunft der Kirche innerhalb der Gesellschaft geäußert und auch dieses Mal nahm der 58-Jährige kein Blatt vor den Mund: „Wie töricht muss eine Kirche sein, deren erstes Ziel es ist, vor der Welt mit womöglich verschwiegenen Abgründen noch einmal davon zu kommen. Ist der Kirche denn nicht deutlich genug gesagt, dass sie als Allererstes Gott selbst Rede und Antwort stehen muss.“

Für seine Worte bekam der Lüneburger anschließend viel Zuspruch von den GottesdienstbesucherInnen der Stadtkirche. Vor den Bildern des Workshops kam es zu einem regen Austausch zwischen Workshop-TeilnehmerInnen, BesucherInnen, Künstler Uwe Appold, Regionalbischof Schaede, Stadtkirchen-Pastor Volkmar Latossek und Superintendentin Dr. Andrea Burgk-Lempart – ganz so, wie es sich Uwe Appold gewünscht hatte. „Für mich“, sagt der Maler zum Abschluss, „ist die Kirche das Leben.“ Besser hätte man diesen bemerkenswerten Gottesdienst nicht zusammenfassen können. Text: Alex Raack


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