Jesus war kein Pazifist, aber er hat an eine friedliche Welt geglaubt
In dieser kleinen Gedenkhalle im Kirchturm unserer Laurentiuskirche sind die Namen der Toten beider Weltkriege in Stein gemeißelt, die unser Dorf zu beklagen hat.
Hier kommen wir am Volkstrauertag zusammen. Hier erinnern wir uns gegenseitig daran, dass Krieg nach Gottes Willen nicht sein soll – und wir als Deutsche ein für allemal dem Krieg abgeschworen haben. Frieden schaffen ohne Waffen, Brücken zu den Nationen bauen, die unter deutscher Herrschaft gelitten haben – ich stehe nach wie vor dazu, dass nicht alles in der Vergangenheit falsch war.
Allerdings, wenn wir ehrlich sind, gibt es Krieg in Europa nicht erst seit dem Einmarsch der russischen Armee am 24. Februar in die Ukraine. Wir haben Putins Kriege nur nicht beachtet und gedacht, sein Machthunger würde irgendwann gestillt sein. Das war, wie wir einsehen müssen, ein Irrtum.
Als Christinen und Christen fragen wir uns ganz besonders, was es bedeutet, wenn wir in unseren wöchentlichen Friedensandachten um Frieden bitten. Sollen die Waffen sofort schweigen? Reicht das, wenn wir wissen, dass Friede mehr bedeutet als die Abwesenheit von Krieg? Wir missverstehen Jesus, unseren Herrn, wenn wir glauben, er sei Pazifist gewesen. Pazifismus ist eine Ideologie. Christen aber dürfen alles sein, nur keine Ideologen. Ideologen nehmen ihre reine Lehre immer wichtiger als das wirkliche Leben.
Natürlich sagt Jesus in der Bergpredigt, dass die Friedensstifter das Reich Gottes besitzen werden. Aber er hat immer auch für realistische und kreative Wege des Widerstandes gegen die brutale römische Übermacht geworben. Das Wort zum Montag ist keine Bibelstunde. Aber so viel will ich andeuten. Wer Jesu Satz, man solle auch die linke Backe hinhalten, wenn einem auf die rechte Backe geschlagen worden ist, so deutet, dass man sich niemals wehren sollte, der hat die Pointe Jesu überhaupt nicht verstanden.
Wenn Jesus seinen Freundinnen und Freunden ans Herz legt, sie mögen klug sein wie die Schlangen, wollte er sagen: Seid nicht naiv und weltfremd. Das ist er nämlich nie gewesen: weltfremd. Allerdings hat er nie den weiten Blick für eine friedliche und gerechte Welt unter dem Himmel Gottes zu verloren. Das muss das Ziel unseres Handelns bleiben.
Ich bin davon überzeugt, dass man Putin nicht durch Nachgeben zum Einlenken bewegen kann. Das hat viele Jahre nicht funktioniert. Mir scheint es notwendig zu sein, dass die ukrainischen Soldaten so lange wie möglich Widerstand leisten und die russische Armee mit Gewalt daran hindern, weiterhin systematische, himmelschreiende und abscheuliche Kriegsverbrechen gegen die wehrlose Zivilbevölkerung zu verüben. Wie kann es ein, dass wir Panzer nach Saudi-Arabien verkaufen, aber nicht den Ukrainern liefern, die sich damit nur verteidigen wollen? Die Sorge unseres Bundeskanzlers, eine Ausweitung des Krieges über die Ukraine hinaus zu verhindern, ist sehr ernst zu nehmen. Es ist keine Zeit der markigen Worte. Aber es ist auch keine Zeit, sich der Verantwortung noch länger zu entziehen, mit dem Argument, unsere deutsche Unrechts-Geschichte verbiete es auch, jemandem zu helfen, der sich verteidigen will.
Ich bete jeden Tag für den Frieden. Wir sollten das als Christenmenschen mit der gleichen Leidenschaft tun, mit der manche Leute Mehl und Öl und Zucker hamstern.
Wir brauchen Frieden, Recht und Gerechtigkeit. In der Ukraine, in der Welt. Ich weiß auch, dass in einem Krieg alle verlieren. Trotzdem: Ich hoffe, dass im Ernstfall jemand für mich zur Waffe greift. Und ich bin dankbar, dass es Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr gibt, die dazu bereit sind.
Bleibt behütet in dieser dunklen Zeit.