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Anke Schlicht

Lebenswertes Celle aus Schülersicht


Ideen entwickeln, diskutieren - Schüler bei der Jugendkonferenz in der CD-Kaserne Fotos: Peter Müller

CELLE. Ihre Perspektive ist eine ganz eigene, sie folgt nicht zwingend den Trends, die Erwachsene für zukunftsweisend halten. Jungsein im Jahr 2023 in Stadt und Landkreis Celle heißt nicht automatisch, Umwelt- und Klimaschutz stets den Vorrang zu geben.


Schüler und Schülerinnen einen ganzen Vormittag lang zu Wort kommen zu lassen und genau hinzuhören, wie es die CD-Kaserne gestern im Rahmen der 4. Celler Jugendkonferenz getan hat, ist erkenntnisreich und empfehlenswert für alle, die an den Schaltstellen sitzen – sowohl im Neuen Rathaus als auch in der Kreisverwaltung.


Angeschrieben wurden alle weiterführenden Schulen in Stadt und Landkreis, acht entsendeten Delegierte zur Konferenz, die das klare Ziel verfolgte, Handlungsfelder herauszuarbeiten, auf die Jugendliche Einfluss nehmen möchten, weil sie ihre Lebenswirklichkeit abbilden. Mobil sein mit Fahrrad und Bus, die Innenstadt, Parks und Allerstrand als Erlebnisräume nutzen, sicher von A nach B kommen, auf psychologische Betreuungsangebote problemlos zugreifen können, in baulich einwandfreien Gebäuden von Lehrkräften unterrichtet werden, die ihnen im digitalen Bereich nicht unter-, sondern überlegen sind, in einem Umfeld leben, das von universitären Einrichtungen geprägt ist und ein hohes Maß an Freizeitaktivitäten in Anspruch nehmen zu können.


Um zu diesem Katalog priorisierter Themen zu gelangen, brauchte es einige Stunden, die Kai Thomsen gemeinsam mit einem pädagogischen Team der CD-Kaserne sowie des evangelischen Jugenddienstes moderierte. Die einleitenden Worte gehörten jedoch dem Schirmherrn der Veranstaltung, Oberbürgermeister Dr. Jörg Nigge: „Ich bin viel in Schulen unterwegs und trotzdem weit weg von Euren Bedürfnissen“, sagte der Verwaltungschef, er wäre aber durchaus bereit, sich die Zeit für Gespräche zu nehmen. Zu Beginn seiner Amtszeit habe er versucht, einen Jugendbeirat zu etablieren, aber wirklich funktioniert habe das nicht. Ein echtes Jugendparlament mit Antragsrecht wünschten sich einige Delegierte durchaus. Ganz oben auf die Liste der favorisierten TOP-Themen schaffte es der Vorschlag dann aber doch nicht.


FORMAT OPEN SPACE

Thomsen arbeitete nach dem Prinzip „Open Space“, ein anerkanntes Konferenzformat, wenn es darum geht, neue Ideen zu kreieren. Die Jugendlichen finden sich zunächst zu Dreiergruppen zusammen, schreiben auf, was ihnen wichtig ist, wo sie Verbesserungs- oder Innovationsbedarf sehen, in der zweiten Session wird die Gruppe größer, man geht in die Tiefe, verwirft eventuell. Ein ganzer Haufen Zettel liegt schon hinter Aaron, er besucht wie seine 5 Mitstreiter die Axel-Bruns-Schule. Neue Fenster für das BBS-Gebäude steht auf einem der Blätter, die nicht zerknüllt wurden: „Ja, die sind völlig marode, kurz vor dem Rausfallen“, berichten die 18- bis 19-Jährigen. Auch kostenlose Parkplätze in der Innenstadt fordern sie. Sie wollen Auto fahren, aber wichtig ist ihnen auch der ÖPNV. Jil kommt aus Winsen: „Die Busse fahren viel zu selten“, sagt sie schon zu Beginn einen Satz, der sich durchzieht bis zum Ende der Veranstaltung. Die Jugendlichen wollen mobil sein, fordern Nachtlinien und eine höhere Taktfrequenz tagsüber und am Wochenende. Dass derzeit viel Bewegung im Bereich ÖPNV vorherrscht, beispielsweise Pilotprojekte laufen, On-Demand-Verkehre vor Einführung stehen, der gesamte Nahverkehr neu gestaltet wird, wissen sie nicht, was ihnen durchaus nicht vorzuwerfen ist, sondern eher die hiesigen lokalen Medien ins Denken bringen sollte. Sie erreichen die Gruppe der unter 20-Jährigen offenbar so gut wie gar nicht. Der Instagram-Kanal von CELLEHEUTE sei das einzige Medium, das sie nutzten, wird beiläufig erwähnt. So ist es kein Wunder, dass sie sich eine Celle-App wünschen, in der alle Veranstaltungen und sonstigen Angebote der Region gelistet sind. Nach dem Brainstorming trägt einer oder eine die Ergebnisse vor. Applaus ist garantiert, es geht so fair wie konzentriert und konstruktiv zu, für Essen und Getränke ist gesorgt.


DIE TOP-THEMEN HERAUSARBEITEN

Die Themen grenzen sich in mehreren Durchläufen immer stärker ein, bis sich die TOP-Liste herauskristallisiert hat. „Kennt Ihr das Gesetz der Füße?“, fragt Thomsen. „Man geht dorthin, wo sich etwas findet, das einen interessiert.“ Und so bleibt die Tafel mit der Überschrift „Jugendpartizipation“ ganz einfach mal einsam stehen. Die anderen rund 15 Themenfelder sind attraktiver, jeder hat die Wahl, sich dorthin zu begeben, wo er unter Anleitung des pädagogischen Teams sich intensiver einer Thematik widmen möchte. „Leerstand Karstadt“ lautet eine andere Headline, die viel Zuspruch erfährt. Die Nachnutzung dieses riesigen Gebäudes beschäftigt die Jugendlichen, weil sie eine Chance sehen, darin Freizeitaktivitäten rund um Spiel und Sport unterzubringen. Escape Room, Jump House – diese Begriffe werden wiederholt genannt. Gerne sähen sie, wenn es mehr Grün in der City gäbe, die Flächen entsiegelt würden, Blumenkästen und ausreichend Mülleimer sind ihnen ein Anliegen und Zwischennutzungen. „Herr Nigge hat sein Versprechen nicht eingehalten, er wollte die Innenstadt beleben, aber das ist nicht passiert“, sagt ein Delegierter. „Altstadt“ ist das Stichwort für Kai Thomsen, um ein Meinungsbild einzuholen zum aktuellen lokalen Thema, ob die City autofrei werden soll. Lediglich 8 Jugendliche votieren für komplett autofrei (mobilitätseingeschränkte Menschen bilden eine Ausnahme), 15 möchten, dass mehr Bereiche für Kraftfahrzeuge gesperrt werden, die Mehrheit stimmt jedoch dafür, dass alles so bleibt, wie es ist.


Manchen Empfänger des Protokolls, das über die Jugendkonferenz erstellt und am Montag versandt wird an den Oberbürgermeister, alle Mitglieder des Stadtrats, die Medien sowie den Jugendhilfeausschuss, wird dieses Ergebnis erfreuen oder betrüben, je nach politischer Ausrichtung. Dem Trend einer modernen Stadtgestaltung offizieller Lesart entspricht es nicht. Schüler haben eben ihre eigene Sicht auf die Dinge. Die Jugendkonferenz gibt ihnen Gelegenheit, ihre Stimme zu erheben. Ob sie gehört wird, bleibt abzuwarten.



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