LACHENDORF. Sie sind selten geworden: Handwerker in Kluft am Straßenrand, mit Bündel auf dem Rücken und Hut auf dem Kopf. Seit Sonntag ist der frisch gebackene Dachdecker Max Schlüter aus Lachendorf einer von ihnen. Er folgt damit der über 500 Jahre alten Tradition, als Wandergeselle auf die Walz zu gehen.
Mindestens für die nächsten drei Jahre (und einen Tag!) darf er sich seinem Heimatort nur bis auf 60 Kilometer nähern; wenn von zu Hause weg, dann richtig. Treffen mit Freunden und Familie sind nicht verboten – aber eben nicht in der Heimat. Auch sonst gibt es einige Regeln: Geselle muss man sein, unter 30 und unverheiratet, kinderlos und schuldenfrei. Die Walz ist kein Davonlaufen; die Walz ist dafür da, Neues kennenzulernen und sich fortzubilden – beruflich und privat.
„Nichts ist festgelegt.“
Man arbeitet mal hier mal da, lernt neue Techniken und Arbeitsweisen kennen und begegnet ständig unbekannten Menschen. „Ich werde mit wenig zurechtkommen müssen“, sagt Max, „das reizt mich.“ Wenig Gepäck, wenig Werkzeug und wenig Geld – mit fünf Euro in der Tasche zieht er los.
Wer die Regeln akzeptiert, hat jede Menge Freiheiten: „Nichts ist festgelegt“, sagt Max, der durch eine Doku über die Walz auf diese besondere Horizonterweiterung aufmerksam wurde. Durch seinen Schacht, einen Verein, der Wandergesellen betreut, hat er für die ersten sechs bis acht Wochen einen Begleiter gefunden. Franz Neuner, 26-jähriger Zimmermann aus Rosenheim und selbst schon über zwei Jahre unterwegs, wird Max einweisen in alles, was dieser wissen muss – `Losbringen´ nennt man das.
Von Flensburg nach Basel
Gemeinsam wollen sie einmal längs durch Deutschland, von Flensburg nach Basel: wandernd und trampend, auf jeden Fall, ohne für die Fortbewegung zu bezahlen. „Wenn der Schaffner einen lässt, kann man auch ICE fahren“, erzählt Max, „nur Schwarzfahren geht gar nicht. Das widerspricht dem Gebot der Rechtschaffenheit. Mit der Kluft kommt eine Verantwortung, dem guten Ruf der Wandergesellen nicht zu schaden.“
Ein Plan, aber nicht verplant
Wohin und mit wem es ab Basel weitergeht? „Wie´s kommt“, sagt Max, „gern auch raus aus Europa.“ Es liegt ein besonderer Reiz darin, nicht zu wissen, was in den nächsten drei Jahren passieren wird. Das Handy bleibt zu Hause; ständig erreichbar ist man auf der Walz nicht. Informationen erhält Max über `Mundpost´ oder über sein E-Mail-Postfach. Wenn jemand etwas von ihm will, „dauert das dann eben ein bisschen“, sagt er und klingt entspannt.
Max´ Eltern finden sehr gut, was ihr Sohn vorhat: „Zieh los in die Welt und mach dein Ding.“ Sicher wird er sie und seine Freunde vermissen. Aber als er am Sonntag vom Lachendorfer Ortsschild sprang und loszog, überwog die Vorfreude: Vor allem auf die große Freiheit, einen Plan zu haben, ohne verplant zu sein.