CELLE. Rückblickend betrachtet hat es Gustaf (mit f) kein Glück gebracht, er konnte sich zwar künstlerisch ausleben, Karriere machen, was dem hochbegabten #Gründgens wohl das Wichtigste war. Aber die dafür nötige Anpassung, der Verrat an den früheren Weggefährten, das Augenverschließen vor der Wirklichkeit im nationalsozialistischen Regime ab 1933 haben die empfindsame Künstlerseele auf lange Sicht überfordert.
Regisseur Martin #Kindervater beginnt sein Stück „#Mephisto“ nach dem Roman von Klaus Mann, das am Wochenende auf der Hauptbühne des #Schlosstheaters #Premiere feierte, im Jahr 1963, kurz bevor die Überdosis Schlaftabletten wirkt und zum Tode führt. Aber bevor es soweit ist, ruft des Todes Abgesandter den innerlich zerbrochenen früheren Theaterstar und konfrontiert ihn mit den Stationen seiner Laufbahn. Ihr Leitmotiv war der Erfolg, die Entfaltung des künstlerischen Potentials, das so viel größer war als seine Persönlichkeit. Das überbordende Talent ging einher mit einem schwachen Charakter. Um dieses deutlich werden zu lassen, braucht es einen geeigneten Schauspieler, und den hat Kindervater in Björn Boresch gefunden. Ihm gelingt die Charakterzeichnung eines Mannes, der in den Bann ziehen und abstoßen konnte. Erbärmlich, wie er sich zu Füßen der Mächtigen wirft, um Posten oder Rollen zu erhalten. Eindrucksvoll, wie stark und selbstbewusst er wirkt, wenn er Proben leitet, genaue Anweisungen gibt. Boresch transportiert diesen Spagat zwischen charismatischer Figur und elendem Wurm. „Seine Falschheit ist seine Echtheit – er ist ein Schauspieler“, sagt Hermann Göring, hervorragend gespielt von Klaus Beyer, über ihn.
Der Schriftsteller, frühere Freund und Schwager Klaus Mann war viele Berliner Jahre nah dran, beide waren sie homosexuell. Er wusste, wovon er in den dreißiger Jahren im Exil schrieb, als er die Figur Hendrik Höfgen erfand und zum Mittelpunkt seines Romans „Mephisto“ machte, war die Rolle des Mephistoteles in Goethes Faust doch Gründgens bekannteste.
Die überaus gelungene Celler Inszenierung nach der Theaterfassung von Thomas Jonigk deutet das namensgebende Aushängeschild nur an, Kindervater konzentriert sich auf den Gründgens hinter den Kulissen, erzählt in Rückblenden, arbeitet an einer Stelle mit der Originalstimme des gealterten früheren Intendanten aus dem Off. „Ich bin nicht dafür gemacht, gegen etwas zu leben“, berichtet er. Das Personal, das ihn umgibt, setzt die Geschichte in Szene, eine Art personifizierter Schatten ist ein echter Kunstgriff des Regisseurs. Philipp Keßel ist stets an Gustafs Seite, verkörpert die homosexuelle Orientierung, die er verbergen muss, und mahnt ihn als Abgesandter des Todes, ruft ihm in Erinnerung, dass er jegliche Moral über Bord geworfen hat, um nach den Regeln des NS-Regimes Karriere zu machen.
Keßel brilliert ebenso wie Lisa Mader als Emmy Sonnemann, die Frau von Göring. Tanja Kübler ist in ihrem Element als schöne und damenhafte Schauspiellegende Elisabeth Bergner. Anne Manss scheint ihr die Kostüme auf den Leib geschneidert zu haben. Anne-Kristin Schiffmann verkörpert die eher burschikose intellektuelle Erika Mann, Klaus‘ Schwester und erste Ehefrau von Gründgens, sehr überzeugend. Dimitrij Breuer reichen ein paar Striche durchs Haar und eine Brille auf der Nase, um in eine neue Figur zu schlüpfen, drei unterschiedliche Charaktere spielt er, und bei jedem Auftritt stellt sich erneut die Frage, ist das derselbe von eben oder nicht? Und last but not least glänzt Thomas Wenzel in der Rolle des früheren kommunistischen Weggefährten Otto Ulrichs, der sich nicht korrumpieren lässt, aber dafür mit dem Leben bezahlt.
Allesamt erzählen sie eine sehr deutsche Geschichte um Macht, Moral und Menschliches, ernten langanhaltenden, intensiven, aber keinen stehenden Applaus, obwohl Martin Kindervaters Inszenierung diesen verdient hätte.