HANNOVER. Am 1. August jedes Jahres beginnt in Niedersachsen die Jagd auf Rabenkrähen, Gänse und einige andere Wildtiere. Dies nehmen Jagd-Geschäfte zum Anlass, im Vorfeld mit Rabatten für entsprechende Ausrüstung, insbesondere Waffen, Lockinstrumente und Tarnkleidung zu werben. Darauf weist der NABU-Landesverband hin und teilt weiter mit: Die Jagd wird dabei als etwas Spannendes und Schönes beschrieben. Es klingt, als ginge es bei dieser Art der Tiertötung um eine spaßige Sportart, die aufgrund der hohen Intelligenz von Krähen besonders viel Geschick erfordert. Jedes Jahr werden in Niedersachsen und anderen Bundesländern spätestens ab August jeweils mehrere tausend, teils sogar über hunderttausend Krähen vom Himmel geschossen. Besonders perfide erscheinen dabei die angepriesenen Lockinstrumente: Mit auf Feldern aufgestellten Attrappen werden Krähen bei der Nahrungssuche simuliert und locken damit weitere Krähen an, die sodann abgeschossen werden. Weitere Beispiele sind der Krähenlocker und die Krähentodesklage. Der Krähenlocker simuliert den Angstschrei einer sterbenden Krähe. Die Krähentodesklage den Klageschrei, den eine Krähe erzeugt, wenn eine andere stirbt. Die sich in der Umgebung befindenden Krähen reagieren auf die Geräusche und versammeln sich bei dem vermeintlich schreienden Vogel, um zu helfen.
Begründet wird der organisierte Massenabschuss mit veralteten Argumenten. So wird behauptet, dass Rabenkrähen als Nesträuber bei unkontrollierter Ausbreitung dem Bestand anderer Tiere, insbesondere von Bodenbrütern wie Braunkehlchen, Rebhuhn und Kiebitz schaden würden. Zusammen mit anderen Raubtieren könnten sie sogar zum regionalen Erlöschen einiger Arten beitragen. Außerdem würden sie die Samen von den Feldern picken und somit landwirtschaftliche Kulturen schädigen. Als weiterer Grund wird das vermeintlich störende Krächzen herangezogen.
Argumente sind veraltet und im Rahmen von wissenschaftlichen Untersuchungen und Studien mehrfach widerlegt worden Für den Rückgang verschiedener Bodenbrüter sind nicht die Krähen verantwortlich. „Die Gefahr für die Bodenbrüter kommt nicht aus der Luft, sondern von verschiedenen vierbeinigen Beutegreifern am Boden“, erklärt Frederik Eggers, Naturschutzreferent des NABU Niedersachsen. „Dies konnte mit Dauer-Kamerabeobachtungen nachgewiesen werden.“ Hauptursache für den Rückgang von Bodenbrütern ist jedoch der zunehmende Verlust von Lebensräumen, Rückzugsmöglichkeiten und Nahrungsquellen, was auf die intensive landwirtschaftliche Nutzung von Flächen zurückzuführen ist. Nur die Abkehr von der modernen, intensiven und industrialisierten Landwirtschaft hin zu mehr Raum in der Kulturlandschaft für alle wild lebenden Tiere kann insoweit Abhilfe schaffen.
Die von Krähen verursachten Schäden in der Landwirtschaft beschränken sich vorrangig auf die Beschädigung von Silofolien. Was zudem häufig vergessen wird, ist, dass Krähen auch Insekten und Mäuse auf ihrem Speiseplan haben, welche die Landwirte ebenfalls nicht gerne auf ihrem Feld sehen.
Abschuss von Rabenkrähen ist nicht zielführend
„Die Bestände der Rabenkrähen sind bundesweit seit vielen Jahren konstant, mit nur geringen Schwankungen. Die Statistik des Dachverbandes Deutscher Avifaunisten zeigt, dass der flächendeckende Abschuss von Rabenvögeln nicht wie beabsichtigt deren Population langfristig reduziert. Bei den verbliebenen Vögeln führt die intensive Bejagung nämlich zu einer verstärkten Bruttätigkeit, sodass sich der Bestand schnell wieder reguliert“, erläutert Eggers.
Ein weiteres Problem bei der Bejagung von Krähen ist, dass besonders geschützte Arten wie die Dohle und die gefährdete Saatkrähe häufig mit den Rabenkrähen zusammenfliegen und uninformierte Jäger bei der Rabenjagd nicht zwischen diesen ähnlich aussehenden Vögeln differenzieren.
Die Bejagung von Krähen ist aus den genannten Gründen sinnlos und darüber hinaus aus ökologischen, naturschutzfachlichen und nicht zuletzt auch aus ethischen Gründen abzulehnen. Demgegenüber bekennt sich der NABU jedoch ausdrücklich zu einer naturverträglichen Jagd als eine legitime Form der Landnutzung, sofern sie den Kriterien der Nachhaltigkeit und den ethischen Prinzipien entspricht. So muss das erlegte Tier sinnvoll verwertet werden, die bejagte Art darf in ihrem Bestand nicht gefährdet sein und zum Zweck der Jagd nicht aktiv gefördert werden. Störungen in der Brut- und Aufzuchtzeit von Wildtieren sind zu unterlassen und natur- und artenschutzrechtliche Regelungen zu beachten.