Wenn der Herbst kommt, werden wieder die traditionellen Erntedankfeste gefeiert. Die Landfrauen bringen wie in jedem Jahr dem Landrat eine Erntekrone. Sie hängt für einige Wochen im Foyer des Kreistages. Und in den Kirchen: hier verbreiten am Erntedanktag Kartoffeln ihren erdigen Geruch, Gemüse aus dem heimischen Garten schmückt die Altäre, Blumen werden gebracht und bunte Kürbisse. Erntedank ist Fest für alle Sinne. Es lädt ein, darüber nachzudenken, welche Ernte wir in diesem Jahr „eingefahren“ haben - oder welche Ernte uns trotz aller Mühe versagt geblieben ist.
Für mich ist das Erntedankfest auch eine Art Widerstandsfest – damit will ich sagen, es ist ein Tag, an dem ich etwas tun kann gegen die trüben Gedanken, die mich manchmal überfallen. Gerade in diesen Monaten, in der sich eine Krise an die andere reiht und mir Leute sagen, sie würden schon gar keine Nachrichten mehr hören oder lesen. Weil sie nicht verrückt werden wollen.
Klar, das ist sicher eine Methode, sein inneres Gleichgewicht zu behalten. Medienabstinenz. Um nicht im Meer der schlimmen Meldungen zu ertrinken. Aber auf Dauer kann das nicht funktionieren, sich aus der Welt zurückzuziehen.
Ein zweiter und der für mich passenderer Weg ist der Weg der Erinnerung an das, was „trotz allem“ gelungen ist. Ich bin kein Landwir, habe ich keine Kartoffeln oder Rüben geerntet. Aber es sind andere Früchte meiner Arbeit da. Das will ich am Erntedanktag nicht vergessen. Ein großes Projekt geht nach jahrelanger Planung endlich an den Start, die Konfirmandinnen und Konfirmanden waren heute ganz bei der Sache, und ein Brautpaar sagt, dass sie ihre Trauung wunderschön fanden.
Wo ich also meinen Alltag bedenke, kommen mir oft ziemlich bald auch Gründe in den Sinn, dankbar zu sein. Und ich würde mich wundern, wenn es Euch nicht auch so gehen wird. Danken kommt tatsächlich von Denken.
Gibt es also diese Gleichung: Wer denkt, wird dankbar? Und umgekehrt: Wer undankbar ist, hat nicht nach-gedacht? Ganz so einfach geht diese Formel sicherlich nicht auf. Aber sie weist in eine bedenkenswerte Richtung, finde ich. Wo ich wahrnehme, was mir und natürlich auch den vielen anderen gelungen ist, da verlieren die trüben Gedanken ihre Macht über mich und ich fühle die Kraft in mir aufsteigen, wieder beherzt an die Arbeit zu gehen und meinen kleinen Teil dazu beizutragen, dass unser Zusammenleben gelingt.
Du und ich – wir können nicht die Welt retten. Aber da wo wir leben und arbeiten, können wir uns immer wieder aufraffen zum Handeln und vor allem die Welt nicht schlechter reden also sie ist. Warum: weil wir nicht vergessen, dass eine Menge unserer Arbeit auch gute Früchte getragen hat. Gott sei Dank.
Bleibt behütet.