CELLE. „Selbst das Fallen eines Bleistifts hätte man hören können“, beschreibt Ratsherr Dr. Jörg Rodenwaldt („Zukunft Celle“) die Stille, die im jüngsten Wirtschaftsausschuss eintrat, als nach den Ausführungen zum Stand des Gewerbegebietes „Auf der Grafft“ aus den Reihen der Mitglieder Fragen gestellt wurden, die den Namen des Onlineversandhändlers amazon ausdrücklich nannten.
Gerüchten zufolge haben sich Mitarbeiter der deutschen Dependance des amerikanischen Internetunternehmens in Celle aufgehalten, was die Spekulationen zum Logistikzentrum, das sich auf dem Gelände am Anschluss B 3 Westercelle ansiedeln wird, anheizt. Dass sowohl die Kommunalpolitiker und die Celler Bürger als auch die Geschäftsinhaber der Altstadt auf Vermutungen angewiesen sind, geht auf die Intransparenz des Rathauses zurück.
In nicht öffentlicher Sitzung ließ die Verwaltungsspitze im vergangenen Jahr über die Ansiedlung eines Logistikzentrums abstimmen. Die Mehrheit der Ratsfrauen- und -männer kaufte die Katze im Sack, gab sich zufrieden mit der Anonymität des zukünftigen Betreibers und votierte nach Aussagen Anwesender wohl auch angelockt mit dem Argument einer hohen Zahl von Arbeitsplätzen dafür. Die Grünen und „Zukunft Celle“ gehörten zu denen, die ablehnten und nun in einer Ausschuss-Sitzung, die sich ausdrücklich der Entwicklung des Gewerbegebietes „Auf der Grafft“ widmete, kritisch nachhakten – ohne Erfolg. Die Verwaltung schwieg sich aus, kommunizierte lediglich wortreich bei den aus ihrer Sicht positiven Meldungen.
So nutzte die Referentin der Abteilung Wirtschaftsförderung Kerstin Lüders die Attribute „gesund“ und „gewachsen“, um den zu erwartenden Branchenmix auf dem Areal in Westercelle mit einer Gesamtfläche von 136.000 Quadratmetern zu charakterisieren. Wer sich dieser Tage dort umschaut, findet etwas vor, das bis vor kurzem noch mit den gleichen Begriffen hätte beschrieben werden können. Der Umfang der gestapelten abgesägten Stämme legt nahe, dass die Eichen viele Jahrzehnte gewachsen sind, um sich zu gesunden Bäumen zu entwickeln.
Damit ist nun Schluss. Das verbliebene Grün wird das Frühjahr nicht erleben, der Bebauungsplan liefert hier Gewissheit. Selbst wenn die im vergangenen Jahr auf Drängen der Politik erarbeitete Baumschutzsatzung bereits in Kraft wäre, hätte sie für das Gewerbegebiet keine Anwendung gefunden, denn der Entwurf des zuständigen Fachbereiches schloss unbebaute Areale nicht ein. Daher fordert die Sprecherin der Arbeitsgruppe „Baumschutz“ des BUND Celle Ute Reich: „Die Baumschutzsatzung, die kurzfristig von der Tagesordnung des Umweltausschusses am 25.1. genommen wurde, darf nicht weiter verschleppt werden. Und sie muss für das gesamte Stadtgebiet gelten, nicht nur für bebaute, sondern für alle städtischen und privaten Flächen Celles.“
Zu spät für die verbliebenen Bäume „Auf der Grafft“. Der Bebauungsplan gibt hier Gewissheit.
Bis sich diese auch bei der Frage „Amazon ja oder nein“ einstellt, sind die Beteiligten außerhalb des Rathauses auf Spekulationen angewiesen. Und so beendet Dr. Jörg Rodenwaldt das Nachgespräch zur Wirtschaftssitzung mit den Worten: „Ich vermute, da ist was dran, ich höre das aus allen Ecken.“