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Anke Schlicht

Sammlung „Stunde Null“ – so aktuell wie geschichtsträchtig


Aus der Hakenkreuzfahne wurden Kleider, Dr. Wulf Haack vor Exponaten seiner Sammlung Fotos: Peter Müller

CELLE. Das, was Dr. Wulf #Haack zu präsentieren hat, ist alt und abgenutzt, und doch ein wahrer Schatz und besonders in diesen Tagen aktueller denn je. Exakt vor 90 Jahren, am 30.1.1933, ging die Macht an die Nationalsozialisten über. Deren Symbole begannen, das Straßenbild in Deutschland zu beherrschen, allen voran die rot-weißen Flaggen mit schwarzem Hakenkreuz. Symbolisierten sie damals den Geist der Nationalsozialisten und ihrer Anhänger, zeigen sie in Haacks #Sammlung „#Stunde #Null“, worin anmaßende Überheblichkeit und Großmachtsphantasien mündeten.


Ein Volk am Ende, nach Kriegsende im Jahr 1945 ums Überleben kämpfend. Aus allem, was irgendwie verfügbar war – von der Panzerfaust über die Gasmaske bis zum Stahlhelm – wurde etwas gefertigt, um den Alltag zu bewältigen, sich zu wärmen und zu kleiden, eine Mahlzeit zuzubereiten. Die einst „stolze“ Fahne diente nunmehr als wärmendes rotes Kleid. „Aus den Hakenkreuzen schneiderte man Träger“, berichtet Wulf Haack.


Im Laufe von mehr als 20 Jahren hat er Gegenstände zusammengetragen, die in einer Weise erzählen von der Nachkriegszeit, wie es kein Lehrbuch kann. Angesichts von Schuhen aus Tonbändern, Wärmflaschen aus Granaten, Milchkannen aus Gasmasken und zu Schöpfkellen umgearbeiteter Stahlhelme, um Klärgruben zu entwässern, wird die Not greifbar. Ein junger Mann von Anfang 20, der der Führung beiwohnt, sagt: „Das ist für mich eine komplett andere Welt, alles wirkt so fremd.“

Der „Erfindergeist“, von dem Haack spricht, beeindruckt, auch das Können, die Qualität, mit der gefertigt wurde. Und manches rührt an: Die Gesichter auf den Schwarz-Weiß-Fotos, Frauen, die nach etwas anstehen, Männer, die mit gesenktem Kopf aus Blechbehältern essen, und nicht zuletzt all die Gegenstände jenseits des Praktischen - kleine Kinderblusen sorgfältig per Hand bestickt, Weihnachtsglocken für den Tannenbaum aus Wrackteilen von Flugzeugen oder Panzern, Vasen aus Granaten, kleine feine Kerzenständer. „Die Menschen wollten auch etwas Schönes“, sagt der Sammler, „hier dieser kleine Puppenwagen läuft auf Kugellagern.“


Zu fast jedem Teil kann er etwas berichten, am spannendsten, wenn die Menschen, die die Dinge nutzten, zum Vorschein kommen. Ein weißes Kleid aus Fallschirmseide geht neben der Variante in Rot ein wenig unter, doch das angeheftete Schwarz-Weiß-Bild macht den Unterschied. „Heinz und Leni, 1946“ ist darauf zu lesen. Drei Blumenkinder stehen vor dem Brautpaar, „das bin ich“, sagt Wulf Haack ganz unvermittelt, „Leni war unser Kindermädchen, sie kam aus Schlesien.“

Später überließ sie ihm ihr Hochzeitskleid für seine Sammlung „Stunde Null“, die er nun in Gänze abgeben möchte. Die Lagerstätte muss geräumt werden. Der Großteil der Exponate stammt aus Celle und dem Landkreis, und ist damit ein Stück regionale Historie, daher würde sich Dr. Wulf Haack wünschen, dass sie in der Gegend verbleibt.


Nicht nur vor dem Hintergrund deutscher Geschichte ist all das Zusammengetragene eine Ausstellung wert, sondern auch angesichts des aktuellen Themas Nachhaltigkeit. Upcycling ist bereits seit geraumer Zeit in Mode, fast zu einem festen Bestandteil unserer heutigen Gesellschaft geworden. Die Sammlung „Stunde Null“ fügt diesem Trend eine neue, sehr ernste und aussagekräftige Facette hinzu.


Wer Interesse an der Sammlung hat, erreicht Dr. Wulf Haack unter: 0170-78 58 650.




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