CELLE: Die Zahl der Inobhutnahmen von Kindern und Jugendlichen steigt – deutschlandweit allein 2022 um rund 40 Prozent. Diese Entwicklung ist auch im Landkreis Celle zu spüren. Und sie kostet Geld. Der Kreistag bewilligte auf seiner Sitzung am Donnerstag zusätzliche Gelder von 3,2 Millionen Euro für das Jugendamt wegen überplanmäßigen Bedarfs. Die Finanzmittel konnten mit Einsparungen der Kreisverwaltung durch unbesetzte Stellen verrechnet werden – der Landkreis muss sich nicht weiter verschulden.
Das Jugendamt geht im Haushaltsjahr 2024 von einem größeren Defizit für die „Hilfen zur Erziehung“ aus - bei der Planung war der starke Anstieg bei Fallbelastungen und Kosten noch nicht absehbar gewesen. Die Hilfen zur Erziehung sind nach der Kindertagesbetreuung das zweitgrößte Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendhilfe. Offenbar zeigen immer mehr Kinder Anzeichen von Vernachlässigung oder Misshandlung auf. Eltern scheinen hierzulande zunehmend überfordert zu sein. Zudem sind viele minderjährige Geflüchtete ohne Eltern nach Deutschland gekommen - sie müssen laut Gesetz bei Ihrer Ankunft in Obhut genommen werden.
" Jugendhilfe wird immer teurer"
Ein großer Kostenfaktor sind die stationären Unterbringungen von Kindern und Jugendlichen, zum Beispiel in Heimerziehung oder Vollzeitpflege. Wegen eines sehr geringen Platzangebots bei steigenden Fallzahlen sind auch die Tagessätze stark angestiegen. So rechnet die Kreisverwaltung mit Mehraufwendungen der Transferleistungen von rund 5 Millionen Euro.
„Es ist leider wirklich so, dass die Jugendhilfe immer teurer wird“, bestätigte Kreistagsmitglied Christoph Engelen (SPD), selbst Sozialpädagoge und beim Jugendamt der Region Hannover tätig. „Wir suchen mittlerweile in einem Radius von 400 Kilometern, um Jugendliche überhaupt noch unterbringen zu können.“
Frühere Hilfen angemahnt
Um die Entwicklung zu immer mehr - als Schutzmaßnahmen gesetzlich vorgeschriebenen - Inobhutnahmen zu stoppen, sprach sich CDU-Fraktionschef Torsten Harms für frühere Unterstützung von Familien und damit für eine bessere Finanzierung dieses Hilfebereichs aus. Die Entscheidung des Kreistages zugunsten des Jugendamtes sei auch als Zeichen der Wertschätzung für die Arbeit der dort Beschäftigten zu verstehen.
AfD-Fraktionschef Frank Pillibeit mahnte im Rahmen der Kreistagssitzung einen sorgfältigen Umgang mit Steuergeldern an. Er kritisierte, die Jugendhilfe werde zunehmen zum Geschäftsmodell. Die Mittelverschiebung zugunsten des Jugendamtes wolle man aber nicht verhindern – und enthielt sich bei der Abstimmung.
Des einen Leid, des andern Freund
Der überplanmäßige Bedarf erhöht das Zuschussbudget für das Jugendamt, führt aber insgesamt zu keiner Verschlechterung des Haushaltsdefizits 2024 des Kreises. Und das hat mit dem Personalmangel zu tun - des einen Leid ist des andern Freud, könnte man sagen: CDU-Fraktionschef Harms wies darauf hin, dass ein Großteil der vom Jugendamt benötigten zusätzlichen Gelder verfügbar sei, weil es sich um geplante Personalausgaben handele für Stellen, die von der Kreisverwaltung nicht besetzt werden konnten.