CELLE/HANNOVER. "Demokratie grenzt nicht aus. Demokratie stellt nicht soziale Distanz her, Demokratie will soziale Distanz überwinden." Dieses Zitat des Journalisten und Juristen Dr. Heribert Prantl war unser Leitsatz zu einem "Experiment", zu dem wir anlässlich der gegenwärtigen Versammlungen eingeladen hatten - "beide Seiten" aus unterschiedlichen Bereichen. Aber es ist noch vor der Durchführung gescheitert. Allein der Celler FDP-Landtagsabgeordnete Jörg Bode war zu diesem bereit.
Wir fragten wie folgt VertreterInnen aus Politik und Gesellschaft an:
"So kann es nicht weitergehen“ leiteten wir auf Facebook unseren gestrigen Bericht zu den Montagsprotesten ein. Aber WIE kann es weitergehen? Aus unserer Sicht nur im echten Dialog.
Wir planen ein Experiment: Unter der Überschrift „Wir müssen reden“ wollen wir kommenden Montag eine Video-Live-Schalte direkt vom Ort des Geschehens in der Celler Innenstadt produzieren. Gern möchten wir Sie (Name eingesetzt) gewinnen und unzensierten Raum zur Darstellung der Sicht geben.
Das „Experiment“: Wir laden dazu vorher auf unseren Kanälen zu einem „Offenen Mikrofon“ ein - damit „kruden Verschwörungen“ oder nachweisliche Falschdarstellungen Einhalt geboten werden, behält der/die Moderator/in das Mikro in der Hand und kann entsprechend handeln.
Die Idee steht und fällt damit, ob wir genügend „seriöse Teilnehmende“ gewinnen. Sind Sie dabei? Wir planen die Sendung ab 18 Uhr, also eine halbe Stunde vor den „Spaziergängen“ mit einem „Open End“.
Auszüge der Antworten:
Thomas Adasch, CDU, Vorsitzender Landtags-Innenausschuss: "Ich bin am nächsten Montag nicht in Celle und habe auch nicht die Absicht, nun regelmäßig an den 'Montags-Spaziergängen' teilzunehmen. Zudem bin ich als Innenausschussvorsitzender nicht autorisiert, bei 'Experimenten' mitzuwirken. Für etwaige Pressestatements bin ich natürlich jederzeit ansprechbar."
Sprecherin Innenministerium: "Leider ist es nicht möglich, dass eine Verter*in des MI ihrem Experiment beiwohnt. Die Sichtweise des Innenministers dürfte aus diversen Pressemitteilungen hinreichend bekannt sein. Teilnehmer "Celle steht auf": "Ich stehe aus verschiedenen Gründen nicht für öffentlichkeitswirksame Dinge zu Verfügung. Ich kann die Mail weiterreichen, um seriöse Teilnehmende zu finden. Die Zeit für Info ist vorbei, die Leute müssen es am eigenem Leibe merken, was passiert, die Montagsspaziergänge werden immer größer.... hier in Celle kleben die Leute an ihrer Meinung verbunden mit der Angst, das Gesicht zu verlieren, das sie aber sowieso verlieren werden." Polizei Celle: "Wir stehen selbstverständlich für Medienanfragen zur Verfügung. Das umfasst auch Kontakte vor Ort. Konkret setzen wir in den Montagseinsätzen Polizeipressesprecher ein, die im Einsatzraum ansprechbar sind. An einem Format, wie hier angedacht, nehmen wir allerdings nicht teil. Unsere Position haben wir mit Beantwortung Ihrer Fragen deutlich dargestellt." Jörg Bode, wirtschaftspolitischer Sprecher FDP- Fraktion: "Ich finde es gut in einen Dialog einzutreten. Auch wenn es im Ergebnis wohl keinen echten Dialog, sondern nur eine Darstellung der unterschiedlichen Dialog-Positionen geben kann." Da die sogenannten "Montagsspaziergänge" rechtlich gesehen nicht organisiert sind und uns keine AnsprechpartnerInnen bekannt sind , konnten wir hier keine Person anfragen. "Auch Verantwortliche verbreiten nicht nur Meinungen, sondern Desinformationen" Fazit: Bode hatte es geahnt: Unter Dialog verstehen beide Seiten offenbar lediglich die politisch gelebte Praxis, Meinungen zu verbreiten. Das sind jedoch Monologe. In einem Dialog hört man sich zu und tauscht sich aus, oder wie es in einem Lexikon definiert wird: "Gespräche, die zwischen zwei Interessengruppen geführt werden, mit dem Zweck des Kennenlernens der gegenseitigen Standpunkte o. Ä.“ Leider fällt es i.d.R. nur Informierten auf, dass bei einigen Reden und Pressemeldungen nicht nur Meinungen, sondern schlichtweg Desinformationen verbreitet werden, auch von Personen in verantwortlichen Positionen. Auch und gerade deswegen bieten wir weiterhin allen "demokratisch legitimierten Richtungen" eine Plattform, hören ihnen weiterhin zu, ohne ihre Meinung teilen zu müssen und geben weiterhin Raum zur unzensierten Darstellung (Einhalten der Netiquette und faktenbasierte Argumentation vorausgesetzt). Denn nur wer bereit ist, sich außerhalb seiner Nachrichtenblase zu informieren und nicht nur von Überschriften fehlgeleitet zu werden, kann sich eine eigene Meinung bilden - auch wenn wir als Presse dafür je nach politischer Couleur dem jeweils anderen politischen Lager zugeordnet werden, aus Unwissenheit oder Taktik.
"Schimpfen Sie mit uns" Übrigens, unser Dialog-Angebot an Sie alle bleibt bestehen. Korrigieren Sie uns, schimpfen Sie mit uns, fragen Sie nach, wenn Sie Informationen vermissen - auch bei CELLEHEUTE arbeiten nur Menschen. Jederzeit per E-Mail oder in den Kommentaren. Natürlich können Sie es auch weiterhin in irgendwelchen Facebook-Gruppen oder wie gestern eine Politikerin auf Demos tun - das ist Meinungsfreiheit. Wir nehmen uns jedoch die Freiheit, nur zu reagieren, wenn wir direkt angesprochen werden. Denn "Demokratie grenzt nicht aus. Demokratie stellt nicht soziale Distanz her, Demokratie will soziale Distanz überwinden."