CELLE. Sie haben so viel gemeinsam: Die acht Frauen, die sich für sechs Wochen im TextilAtelier in der Runden Straße getroffen haben. Alle sind als Flüchtlinge in Deutschland und alle wollen mit Nadel und Faden arbeiten. Die von der Lotto und Sportstiftung geförderte `Nähwerkstatt Stichpunkt´ war ihnen dabei eine große Hilfe.
„So engagierte und freundliche Schülerinnen hatte ich während meines gesamten Arbeitslebens nicht“, sagt Marion Reinold. Sie war Berufsschullehrerin und leitete diese Qualifizierungsmaßnahme. Ihr zur Seite stand Patrizia del Mar, studierte Modedesignerin aus Kolumbien, die im TextilAtelier ein freiwilliges soziales Jahr absolviert.
Ein Kurs zum Nähenlernen - und mehr
Die `Schülerinnen´ kommen aus Tschetschenien, der Ukraine, der Türkei, dem Irak und aus Albanien; sie heißen Maret, Luibov, Houra, Alla, Leyla, Berivan, Theresa und Sava. „Wir wollen hier gemeinsam nähen", bringt es Marion Reinold auf den Punkt, "und dazu gehören auch die richtigen Begriffe und benennen zu können, was gut und weniger gut gelungen ist." Alla aus der Ukraine ruft laut durch den Raum wie dankbar sie ist für den Kurs: Dieser helfe, in Deutschland Kontakt zu finden, etwas zu tun zu haben und eine echte Perspektive zu bekommen. „Am Anfang hatten alle ein großes Ziel: selbst Schnittmuster zu kreieren und zu schneidern“, erzählt Marion Reinold, „mittlerweile ist klar, dass das mit den Grundlagen anfängt.“
„Ich möchte arbeiten können.“
Vor acht Jahren kam Berivan aus dem Irak. Lehrerin für Kurdisch war sie dort unter anderem, das geht in Deutschland nicht. An einer Nähmaschine sitzt sie hier zum ersten Mal. Sie möchte nähen lernen, um arbeiten zu können und trotzdem Zeit für ihre beiden Kinder zu haben. „Noch kann ich nicht gut nähen, aber dafür spreche ich gut Deutsch“, sagt sie, „bei anderen ist es umgekehrt.“ Berivan fällt es relativ leicht, sich die vielen Fachbegriffe zu merken. Wie genau sieht sie aus, die `Einfache Naht, Kanten mit Zickzackstich, einfach versäumt´ – und wie näht man die?
Weil gutes Nähen nicht reicht
Für Sava aus Albanien ist das Praktische kein Problem. Sie ist gelernte Designerin; es ist ihr Traumberuf, sagt sie. Auf Bügeln hängen einige selbstgenähte Jacken von ihr; aber eine Arbeit findet sie in Deutschland trotz ihrer Fähigkeiten (noch) nicht. Sie hofft, dass sich das ändert – auch durch das deutsche Zertifikat, das Ende September erworben werden kann. Die Prüfung läuft sowohl theoretisch (mündlich und schriftlich) ab als auch praktisch. Marion Reinolds Ansprüche sind hoch: Eine gelungene Naht ist eine, die man nicht sieht. Natürlich spielt auch die Entwicklung der Frauen eine Rolle bei der Bewertung, der Zuwachs an Fertigkeit. Aber hier bekommt keine ihr Zertifikat geschenkt. Entsprechend engagiert sind alle bei der Sache: dreimal die Woche, sechs Wochen lang. Ob sich aus dem Abschluss eine Arbeitsmöglichkeit in Deutschland ergibt, wird sich zeigen.
„Die Frauen sind weit gekommen in diesen sechs Wochen (...) und haben in jeder Hinsicht profitiert – fachlich, sprachlich und menschlich.“
Ein super Abschluss
Am Mittwoch sind sieben der neun Teilnehmerinnen zur Prüfung angetreten, voller Aufregung und voller Erwartung. Alle haben ihr Zertifikat erhalten. „Die Frauen sind weit gekommen in diesen sechs Wochen“, sagt Sabine Schöllchen vom TextilAtelier, „sie sind zu einer Gruppe zusammengewachsen und haben in jeder Hinsicht profitiert – fachlich, sprachlich und menschlich.“
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