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Stolpersteine für ehemaligen jüdischen Richter verlegt


CELLE. Während einer vom Oberlandesgericht ausgerichteten kleinen Feierstunde wurden heute weitere "Stolpersteine" verlegt. Auf Betreiben des Gerichts haben die Steine zu Ehren des früheren jüdischen Richters Dr. Richard Katzenstein und seiner Familie einen prominenten Platz unmittelbar neben dem Haupteingang gefunden - in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Celle. An der Feierstunde nahm auch ein Enkel des ehemaligen Richters teil, der eigens aus Israel anreiste.

Dr. Richard Katzenstein (1878-1942) war seit 1929 Senatspräsident (entsprechend einem heutigen Senatsvorsitzenden) am Oberlandesgericht Celle. Der damalige Präsident des Oberlandesgerichts plädierte 1933 gegenüber dem Preußischen Justizministerium für dessen Entfernung, hilfsweise Versetzung als einfacher Richter an ein Amtsgericht, weil „die Celler Bevölkerung einen jüdischen Senatsvorsitzenden nicht ertragen" könne. Katzenstein wurde daraufhin zunächst an das Amtsgericht Hamburg-Wilhelmsburg versetzt. Dort konnte er seinen Dienst nur einen Tag ausüben, weil die NSDAP vor seiner neuen Wohnung einen Menschenauflauf inszenierte und ihm die örtliche Polizei jeglichen Schutz verweigerte. Unverzüglich wurde er beurlaubt und zwangspensioniert. Katzenstein gelang mit seiner Familie die Flucht nach Palästina. Die vom Oberlandesgericht durch den Schlosspark zur Mühlenstraße führende Straße trägt als Mahnmal seinen Namen.


„Es ist beschämend, dass sich Richter an den Verbrechen der Nationalsozialisten beteiligt haben“, betonte die Präsidentin des Oberlandesgerichts Stefanie Otte bei der Verlegung der Stolpersteine. „Eine solche Katastrophe darf sich nicht wiederholen. Die Stolpersteine sollen uns hier vor dem Oberlandesgericht das Schicksal von Dr. Richard Katzenstein und seiner Familie vor Augen führen. Dass wir darüber stolpern, soll uns davor bewahren, erneut zu fallen.“


Otte kündigte ein Projekt an, um dem juristischen Nachwuchs ein noch fundierteres Wissen um den Nationalsozialismus, seine Funktionsweisen und Mechanismen und insbesondere auch die Verantwortung des Richterberufs näherzubringen. „Ich sage zu, die Geschichte von Richard Katzenstein präsent zu halten“, schloss sie ihre Ansprache.


Die Rede von Stefanie Otte im Wortlaut:

I would like to welcome you here in front of our court. Today, in memory of Dr. Richard Katzenstein, his wife Lili and their four children Viktor, Ilse, Hanna and Hans, we want to lower our gaze to the 6 stones at a place where Dr. Katzenstein was called to serve justice.

Dear Mr. Katzenstein, I am pleased to adress you in English. In respect of other participants, I will continue partly in german. Please excuse me therefore.

Die persönliche und berufliche Existenz von Dr. Katzenstein hier in Deutschland wurde allein aufgrund seiner Abstammung und Religion vernichtet. Dr. Katzenstein kam 1920 als Richter an unser Oberlandesgericht und war seit 1929 Präsident eines hiesigen Senates. 1933 sorgte der damalige Präsident des Oberlandesgerichts v. Garßen für seine Entfernung aus dem Dienst. „Die Celler Bevölkerung könne einen jüdischen Senatsvorsitzenden nicht ertragen.“ Katzenstein wurde daraufhin zunächst an das Amtsgericht Hamburg-Wilhelmsburg versetzt. Dort konnte er seinen Dienst nur einen Tag ausüben, weil die NSDAP vor seiner neuen Wohnung einen Menschenauflauf inszenierte und ihm die örtliche Polizei jeglichen Schutz verweigerte. Unverzüglich wurde er beurlaubt und zwangspensioniert. Katzenstein gelang mit seiner Familie die Flucht nach Palästina.

Die Justiz hat während des Nationalsozialismus große Schuld auf sich geladen. Sie war an vielen der damaligen Verbrechen beteiligt, hat sie teils auch – wie im Fall des Dr. Katzenstein – in vorauseilendem Gehorsam vorangetrieben. Unsere Aufgabe als Gesellschaft und auch als Oberlandesgericht ist es, die daraus erwachsene Verantwortung im Bewusstsein zu bewahren und auch an die kommenden Generationen weiterzugeben. Die Erinnerung soll uns wachsam halten, dass sich derartiges niemals wiederholen darf. Die Stolpersteine machen diese Verantwortung sichtbar, für Sie, für mich, für die kommenden Generationen.

We should stop and recognise that responsibility for the past is always also a part of the present. This stones remind us not to forget. Wir brauchen diese dezentralen Gedenkstätten mehr denn je. Ich beobachte mit Sorge, dass die Gräueltaten der Nazis von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Querdenker-Demonstrationen verharmlost werden. Es ist abscheulich, den Davidstern für den Protest gegen die staatlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Politik zu missbrauchen. Der Schutz jüdischen Lebens und anderer Religionen und Weltanschauungen ist Aufgabe aller - auch und insbesondere aller Richterinnen und Richter. Die Stolpersteine werden uns daran erinnern und mahnen. Gleichzeitig kündige ich ein Projekt an, mit dem wir unserem juristischen Nachwuchs ein noch fundierteres Wissen um den Nationalsozialismus, seine Funktionsweisen und Mechanismen und insbesondere auch die Verantwortung des Richterberufs näherbringen.

And I pledge to keep the story of Richard Katzenstein and his family present. Dear Mr Katzenstein, you and your family are always welcome here im Oberlandesgericht!"




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