CELLE. Es ist jeweils nur eine überschaubare Gruppe von Menschen, die anlässlich des gestrigen Tages gegen #Gewalt an #Frauen aufmerksam machen möchte auf das Thema. Und dennoch ist das Engagement an drei verschiedenen Orten in der Stadt zu unterschiedlichen Zeiten unübersehbar.
Die Rasenfläche vor dem Schloss hat sich am Mittag in einen bunten Teppich aus gehäkelten und gestrickten Quadraten verwandelt. Mitglieder des Runden Tisches gegen häusliche Gewalt haben auf Anregung von Sigrid Graetsch-Modei eine Idee aus Italien aufgegriffen, wonach die handgefertigten Produkte, die zu Decken zusammengenäht werden können, gegen eine Spende, die den #Frauenhäusern zufließt, verkauft werden.
Einige der anwesenden Personen wie Hannelore Fudeus, die #Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Celle Afshan Ahmed oder Christian Riebandt von der Polizei Celle gehen nach Beendigung der Aktion einige Hundert Meter weiter ins MehrGenerationenHaus, wo die „Frauenräume in Celle e.V.“ mit Unterstützung von Ahmed Afshan eine Diskussion zum Thema anberaumt haben.
In Beantwortung der Ausgangsfrage von Hannelore Fudeus, wie jeder und jede das Thema täglich erlebe, erläutert Christian Riebandt das Problem der unmittelbaren und mittelbaren Betroffenheit der Kinder, die Möglichkeit, die Täter der Wohnung oder des Hauses bis zu 14 Tage lang zu verweisen, wovon Gebrauch gemacht werde. Und er führt aus, die Zahlen gingen seit fünf Jahren zurück. Allerdings erwartet er für das laufende Jahr einen Anstieg. „Im Jahr 2021 sind wir in 529 Fällen wegen häuslicher Gewalt in Celle im Einsatz gewesen, aktuell haben wir diese Zahl bereits überschritten.“ Die Landtagsabgeordnete und Familienanwältin Martina Machulla verdeutlicht, dass es sich bei häuslicher Gewalt um ein Phänomen handele, das sich fortsetzt. „Frauen, die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, haben häufig schon als Kind Gewalterfahrungen gemacht. Sie denken oft, sie seien selber schuld.“
Silke Büttner bringt ihre Expertise aus der von der Stiftung Linerhaus getragenen Täterarbeit ein: „Wir haben es sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen mit tradierten, konservativen Rollenbildern zu tun.“ In dem Moment, wo der Partner zum Täter werde, geschehe dieses häufig aus einer Hilflosigkeit heraus. „Die Männer fühlen sich in diesen Momenten nicht mächtig, sondern klein, schwach und hilflos.“ Für die Opfer besteht die Möglichkeit, sich in solchen Situationen an das „Haus der Familie“ zu wenden, hier stehen Beratung und Schutzräume bereit. Mitarbeiterin Marlies Gierwald-Törkel berichtet, dass es zu wenige Wohnungen gebe, in der die Frauen, die sich zur Trennung entschlossen hätten, untergebracht werden könnten. „Die Verweildauer verlängert sich. Aber anstatt, dass das Land mehr Frauenhäuser eröffnet, steigt der Druck auf uns, schneller zu arbeiten, um die Verweildauer zu verringern.“
Perspektivisch müsse die Politik mehr tun. Es brauche größere finanzielle Mittel für die Opfer- und für die Täterarbeit, hierüber herrschte Konsens am Tisch.
Auch der späte Nachmittag hielt Aktivitäten aus Anlass des 25. November, der im Jahr 1999 von den Vereinten Nationen offiziell zum „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“ ausgerufen wurde, bereit. Vor der Congress Union fanden sich Vertreterinnen verschiedener Organisationen und Verbände wie DGB, Solidarische Initiative Neuenhäusen, Junges Forum gegen Antiziganismus, Feministische Organisierung sowie etliche ezidische Frauen ein, um darauf aufmerksam zu machen, „dass es sich nach wie vor in Deutschland und weltweit um ein großes Problem handelt.“ Nina Binder von der Feministischen Organisierung ist eine der jungen Teilnehmerinnen. Sie sagt: „Es braucht gesellschaftliche Veränderungen, ein Umdenken in der Gesellschaft. Man muss das System aufbrechen, um das Problem grundlegend anzugehen.“ Eine Voraussetzung sei dafür essentiell: „Wir müssen uns als Frauen zusammen organisieren.“