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Audrey-Lynn Struck

Von der "Winterruhe" zum "Frühlingserwachen" - Rede von Stephan Weil im Wortlaut




HANNOVER. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hofft, dass diese Rede "zunächst einmal die letzte Erklärung dieser Art vor dem Niedersächsischen Landtag gewesen" sei. Heute unterrichtete er den Landtag wie folgt, unzensiert und unkommentiert:

Anrede,

Anstelle einer längeren Vorrede kann ich es ohne Umschweife auf einen Punkt bringen: Morgen beginnt für Niedersachsen ein neues Kapitel in der Pandemiebekämpfung. Nach einem schwierigen Winter nehmen wir Kurs auf Lockerungen. Bis zum 20. März 2022 werden in drei Stufen, mit Ausnahme der Maske, alle coronabedingten Einschränkungen abgeschafft. Oder etwas anders ausgedrückt: Auf die Winterruhe folgt das Frühlingserwachen.

Das ist nicht selbstverständlich, nach dem, was wir in den letzten Monaten erlebt haben. Auch im zweiten Corona-Winter musste sich unser Land durch zwei Infektionswellen kämpfen.

Da war zunächst die Delta-Welle, die uns vor allem im November und im Dezember noch sehr beschäftigt hat. Delta hatte uns große Sorgen gemacht, weil diese Mutation erkennbar gefährlicher gewesen ist als die vorangegangenen Virusformen. In Anbetracht dieser Ausgangslage sind wir durch die Delta-Welle sehr gut durchgekommen. Die maximale Delta-Inzidenz hatten wir Ende November. Sie betrug damals 231 pro 100.000 in sieben Tagen – das war der zweitniedrigste Wert in Deutschland – und auch die Todeszahlen blieben zum Glück niedrig.

Ebenso wie im vorangegangenen Winter haben sich auch diesmal die Infektionswellen direkt abgelöst. Nach Delta kam Omikron. Wir wussten sehr schnell, dass Omikron wesentlich ansteckender ist, das war zunächst ein Grund zur Sorge. Zum Glück ist die Omikron-Variante aber weniger gefährlich. Trotz Fallzahlen, die jenseits aller bisherigen Vorstellungen waren und sich in Niedersachsen bis Mitte Februar auf eine Inzidenz von 1.220 gesteigert haben, war bis jetzt unser Gesundheitswesen zu keinem Zeitpunkt überlastet. Im Gegenteil: Die Belastung der Intensivstationen liegt deutlich unter den Werten von vor einem Jahr.

Es ist uns also auch in schwierigen Situationen gelungen, die Pandemie in Niedersachsen unter Kontrolle zu halten. Das ist ganz sicher der Umsicht der Niedersächsinnen und Niedersachsen zu verdanken, aber wohl auch ein Erfolg der sehr frühzeitigen Verschärfung unserer Infektionsschutzmaßnahmen. Wir haben bewusst einen vorsichtigen Kurs gefahren und lagen damit erkennbar richtig.


Die bereits Mitte Dezember ausgerufene sogenannte Weihnachtsruhe und die folgende Winterruhe sind zum Teil scharf kritisiert worden. Die weitere Pandemieentwicklung hat diese Kritik widerlegt. Ohne wieder einen ernsthaften Lockdown erleben zu müssen, ist Niedersachsen gut durch den zweiten Corona-Winter gekommen! Die Menschen in Niedersachsen konnten sich zu jedem Zeitpunkt so sicher fühlen, wie das unter Pandemie-Bedingungen möglich ist.


Für die niedersächsische Wirtschaft, insbesondere für die von den Schutzmaßnahmen besonders betroffenen Bereiche waren die vergangenen Monate und insgesamt die Zeit seit Januar ganz und gar nicht leicht. Die Corona-Hilfen sind seit März 2020 zum prägenden Faktor in den Aktivitäten des Landes zum Erhalt von Arbeitsplätzen und zur Unterstützung der Wirtschaft geworden. In zahlreichen Bundes- und Landesprogrammen konnten mit insgesamt mehr als 6,6 Milliarden Euro über 250.000 Unternehmen und Soloselbständige unterstützt und gefördert werden.


Saisonbedingt ist die Arbeitslosenquote in Niedersachsen auch im Januar 2022 noch einmal angestiegen, gegenüber dem Vorjahr jedoch deutlich gesunken und nun fast genau auf dem Niveau von Januar 2020, also vor der Pandemie. Niedersachsen zählt mit 3,12 Millionen so viele sozialversicherungspflichtig Beschäftigte wie nie zuvor. Akut gibt es eine steigende Nachfrage nach Arbeitskräften und eine hohe Zahl offener Stellen.

Das sind am Ende des zweiten Corona-Winters ermutigende Zahlen, finde ich. Anrede,

soweit der Rückblick. Auf dieser Grundlage erleben wir gegenwärtig folgende Situation: Seit nun schon mehr als einer Woche verzeichnen wir einen langsamen Rückgang der Infektionszahlen. Aktuell sind es 17.085 neu gemeldete Infektionen, das entspricht einer 7-Tage-Inzidenz von 1.090,5.


Es gibt an dieser Situation allerdings nichts schön zu reden. Viele Familien leiden zum Beispiel darunter, dass die Kinder nach und nach wegen Infektionen zu Hause bleiben müssen und die Eltern unter einem ganz erheblichen Druck stehen. Ich will ausdrücklich sagen, dass wir uns dieser Situation bewusst sind. Alle Beteiligten in den Schulen und Kindertagesstätten geben sich die größte Mühe, die Infektionen in Einrichtungen so weit wie möglich zu vermeiden und das gelingt auch in den meisten Fällen. Dass aber Omikron gerade bei Kindern und Jugendlichen grassiert, können wir natürlich auch in Niedersachsen nicht verhindern.


Erfreulicherweise haben sich dagegen die Sorgen nicht bestätigt, bei der sogenannten kritischen Infrastruktur könnten wir durch Personalausfälle in Schwierigkeiten geraten. Solche Meldungen gibt es aus Niedersachsen – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – zum Glück nicht.

Aber vor allem – und das ist wirklich hervorzuheben – ist die Situation in unseren Krankenhäusern unverändert stabil. Die Belastung auf den Normalstationen hat zwar beträchtlich zugenommen, dafür aber nicht auf den Intensivstationen. Insgesamt gesehen müssen wir uns derzeit nicht darum sorgen, die Krankenhäuser könnten überlastet sein.


Anrede,

damit ist genau die Situation eingetreten, die wir immer wieder als Voraussetzung für Lockerungen formuliert haben: Die Omikron-Welle muss ihren Scheitelpunkt erreicht haben und die Zahlen müssen wieder rückläufig sein. Das Gesundheitswesen muss stabil seinen Aufgaben nachkommen können und die kritische Infrastruktur muss funktionieren. Diese Voraussetzungen sind jetzt gegeben und deswegen ist jetzt auch der Zeitpunkt für Lockerungen gekommen. Auch in diesem Punkt bleibt unsere Politik konsequent und berechenbar!


Anrede,

das weitere Vorgehen in Niedersachsen wird dabei sehr stark durch die Entwicklung auf der Bundesebene geprägt. Dort läuft zum 20. März 2022 die gesetzliche Ermächtigung für Pandemiemaßnahmen aus und wir können nicht von einer schlichten Verlängerung ausgehen. Und das heißt: Bis zum 20. März 2022 werden alle Einschränkungen von Gesetzes wegen auslaufen. Das ist die gemeinsame Zielsetzung des Bundes und der Länder. Zur Umsetzung haben sich Bund und Länder auf drei Stufen bis zum Stichtag am 20. März 2022 verständigt.


In Niedersachsen halten wir uns an diese Vereinbarung. Es wird zwei Verordnungen geben, mit denen dieser Prozess geregelt wird. Am morgigen Tage tritt eine Verordnung in Kraft, die bis zum 4. März 2022 gilt, danach folgt eine zweite, die ebenfalls morgen verkündet wird und bis zum 19. März 2022 gilt.


Damit verlassen wir unser bisheriges Warnstufensystem. Insbesondere unsere Kolleginnen und Kollegen von der FDP hatten in den vergangenen Wochen keine Gelegenheit ausgelassen, ein Öffnungskonzept zu fordern. Darauf war die Landesregierung auch vorbereitet und zwar durch eine Anpassung des Warnstufenkonzepts, dessen Schwellenwerte wir nach den Omikron-Erfahrungen wesentlich hochgesetzt hätten. Eine Abschaffung dieser kriterienbasierten Vorgehensweise zugunsten einer Pandemiepolitik nach Kalender war für uns zunächst ein sehr gewöhnungsbedürftiger Gedanke.

Im Ergebnis ist dieses Vorgehen für unser Land in der aktuellen Situation aber gut vertretbar. Auch die Landesregierung hatte verabredet, durchgreifende Lockerungsmaßnahmen mit der nächsten Verordnung vorzusehen.


Anrede,

lassen Sie mich aber noch einmal den Blick auf die Zeit ab dem 20. März 2022 werfen, auf eine Situation, die ich sehr ernst nehme und die mir Sorge bereitet: Wenn nichts geschieht, sind die Länder in etwas weniger als einem Monat komplett außerstande, auf neue Infektionswellen zu reagieren, das gilt selbst für die doch eigentlich politisch unstreitig sinnvolle Maskenpflicht. Ich wiederhole: Wir hätten dann keinen Feuerlöscher mehr, um es bildlich auszudrücken.


Ich will ohne Umschweife sagen, dass ich eine solche Konsequenz für unvertretbar hielte. Was ist mit vulnerablen Gruppen, die wir schützen müssen? Was geschieht bei regionalen Ausbrüchen, die wir nach den bisherigen Erfahrungen erwarten müssen? Es gibt nun einmal Situationen, in denen sich die Risiken deutlich erhöhen. Darauf muss es eine Antwort geben.


Und vor allem: Was geschieht dann im Herbst? Die meisten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind sich darin einig, dass gute Chancen auf einen entspannten Frühling und auf einen entspannten Sommer bestehen. Sie weisen aber auch darauf hin, dass mit dem Beginn der nächsten kalten Jahreszeit auch wieder die Probleme beginnen werden, genauso wie wir es in den letzten beiden Jahren erlebt haben. Das mag eine neue Mutation sein, es mag eine alte und zurückkehrende Mutation sein, es mag etwas ganz anderes sein – glauben wir bitte nicht, die Pandemie sei vorbei. Sie ist es nicht und deswegen brauchen wir auch in Zukunft noch die Möglichkeit zu Schutzmaßnahmen!


Diese Position haben die Länder in großer Einigkeit in der letzten Runde mit der Bundesregierung gemeinsam vertreten. Es handelt sich um eine Position, die auf den Erfahrungen aus zwei Jahren ununterbrochenen Krisenmanagements beruht. Ich kann der Bundespolitik nur empfehlen, diese Erfahrungen sehr ernst zu nehmen.


Um nicht missverstanden zu werden: Die Länder müssen die Möglichkeit haben, von diesen Instrumenten Gebrauch zu machen, aber natürlich ist es uns allen am liebsten, wenn das nicht notwendig sein wird. Nach den Erfahrungen der vergangenen beiden Jahre wäre es aber naiv, anzunehmen, auf diese Instrumente komplett verzichten zu können. Noch einmal: Die Pandemie ist nicht vorbei und deswegen gibt es leider auch keinen „Freedom Day“!


Anrede,

um diese Frage wird es in den nächsten Wochen gehen und nach dem bisherigen Zeitplan ist eine abschließende Entscheidung vom Bundestag und Bundesrat erst am 18. März 2022 vorgesehen. Wenn Sie sich also fragen, ob es auch künftig eine Corona-Verordnung geben wird und welchen Inhalt sie haben mag, lautet die ehrliche Antwort: Wir wissen es noch nicht. Denn wie es in Niedersachsen und in den anderen Ländern weitergeht, steht und fällt nun einmal vor allem auch mit den gesetzlichen Grundlagen des Bundes für Schutzmaßnahmen.

Das ist misslich und deswegen habe ich zwei Bitten an die Bundespolitik: Den Ländern die notwendigen Instrumente für den Fall der Fälle an die Hand zu geben und das bitte möglichst schnell!


Anrede,

wir müssen den Blick auch unter einem zweiten Aspekt schon jetzt auf den Herbst richten. Beim Impfen herrscht derzeit Stagnation, um es gerade heraus zu sagen. Die täglichen Impfzahlen sind nur noch ein kleiner Teil dessen, was zum Beispiel vor Weihnachten zu erleben war. Und die Steigerung der Impfquote vollzieht sich im Schneckentempo, jedes Zehntel muss mühsam erarbeitet werden.


Mein herzlicher Dank gilt all den vielen Menschen, die sich überall in Niedersachsen in den Dienst der Impfkampagne gestellt haben. Ich habe in den letzten Wochen immer wieder Impfzentren besucht und großen Respekt vor dieser im Moment besonders mühsamen Aufgabe. Es ist richtig: Jede Impfung zählt und deswegen bleibt auch diese Arbeit wichtig. Aber die Akteure vor Ort wünschen sich auch mehr Zuspruch und das ist nur allzu verständlich.


Wenn wir ehrlich sind, dürfen wir auch in den nächsten Wochen und Monaten nicht unbedingt einen Ansturm von ungeimpften Menschen erwarten. Mit den Lockerungsmaßnahmen könnte die Motivation, sich jetzt noch impfen zu lassen, sogar noch weiter absinken.


Wir müssen nüchtern der Tatsache ins Auge blicken, dass die allermeisten Menschen, die derzeit nicht geimpft sind, dies als Ausdruck einer bewussten Entscheidung ansehen und von sich aus daran nichts ändern wollen. Das ist eine schlechte Nachricht für den Rest der Gesellschaft, denn eine so große Gruppe von Ungeimpften ist und bleibt ein Risiko auch für alle geimpften Bürgerinnen und Bürger. Die Erfahrungen der letzten Monate sind in dieser Hinsicht eindeutig.


Damit sind wir bei der sehr umstrittenen Impfpflicht angelangt. Zum 16. März 2022 gilt bundesweit die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht, vor allem in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen und Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Die dort arbeitenden Beschäftigten sind in Niedersachsen weit überdurchschnittlich geimpft. Sie drücken damit das besondere Verantwortungsbewusstsein aus, das für die Arbeit mit besonders schutzbedürftigen Menschen nun einmal notwendig ist. Ich bedanke mich sehr herzlich für die Haltung, die in diesen Impfquoten der Pflegebeschäftigten in Niedersachsen zum Ausdruck kommt!


Nicht geimpft sind danach etwa fünf Prozent der Betroffenen und wir erwarten, dass sich unter diesen noch einmal eine größere Gruppe mit Blick auf die gesetzliche Verpflichtung impfen lässt.

Darüber hinaus steht das Sozialministerium in einem ständigen Austausch mit den Gesundheitsämtern, um eine praxisgerechte Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht sicherzustellen.

In Niedersachsen geschieht also das, was selbstverständlich sein sollte: Ein ordnungsgemäßes Gesetz wird umgesetzt. Und zwar, daran ist zu erinnern, nicht als Selbstzweck, sondern um Menschen zu schützen, die Schutz benötigen. Sorgen wir dafür, dass dieser Kern des Gesetzes nicht zerredet wird. Wir brauchen diesen Schutz und deswegen ist die Impfpflicht in den Heimen und Krankenhäusern richtig!


Anrede,

was eine allgemeine Impfpflicht angeht, hat die Runde aus Bundesregierung und 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten in der letzten Woche noch einmal klargestellt: Wir brauchen auch eine allgemeine Impfpflicht. Wir brauchen sie, wenn wir auf Nummer Sicher gehen wollen. Wir brauchen sie selbstverständlich nicht für die Omikron-Welle, das war von Anfang an klar. Aber wir werden sie im Herbst brauchen, wenn wir einen dritten Corona-Winter vermeiden wollen. Und wer von uns, wer von uns wollte das nicht?


Anrede,

wir stellen jetzt die Weichen, wie es weitergeht im Jahr 2022. Der eingeschlagene Kurs ist mutig, aber er ist für Niedersachsen gut vertretbar. Nach allen Erfahrungen in europäischen Nachbarländern werden wir auch dann nicht nervös werden müssen, wenn die Infektionszahlen nach Lockerungen vorübergehend steigen.


Wir sind in Niedersachsen gut durch einen weiteren schwierigen Corona-Winter gekommen. Wir haben uns dafür einmal mehr bei der überwältigenden Mehrheit unserer Bevölkerung zu bedanken, die durch ihre Vorsicht, durch ihre Umsicht dafür die Grundlage gelegt hat.

Gerade für diese Bürgerinnen und Bürger freut es mich, wenn jetzt Schritt für Schritt wieder Normalität möglich werden wird. Wir haben die Chance, damit in einen entspannten Frühling und einen entspannten Sommer einzutreten.

Aber, bitte, machen wir einen Fehler nicht: Das Virus ist nicht weg, wir können es nicht abhaken, nicht im Frühling und nicht im Sommer, erst recht nicht im Herbst. Wenn unsere Erfolge von Dauer sein sollen, müssen wir vorsichtig bleiben.


Anrede,

aber wir können jetzt einen großen Schritt vorwärts machen. Das ist das Ergebnis harter Arbeit in unserer ganzen Gesellschaft. Ich wünsche uns allen, dass wir auch die Früchte dieser Arbeit gemeinsam genießen können. Möge es ein schöner Frühling für uns alle werden!

Das gilt auch persönlich: Ich hoffe zuversichtlich, dass dies zunächst einmal die letzte Erklärung dieser Art vor dem Niedersächsischen Landtag gewesen ist.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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