BERLIN/CELLE. Für Gesundheitsminister Karl Lauterbach „wertvoll“ und „wichtig“, für Kassenärzte-Chef Andreas Gassen völlig überflüssig: die sogenannten "Corona-Bürgertests". Es sei eine „völlig sinnfreie Veranstaltung, anlasslos gesunde Menschen mit fragwürdiger Qualität zu testen", ärgert sich Gassen.
Neben dem Nutzen ist auch die Umsetzung in der Kritik. Unter diesen erneuten Widersprüchen in Politik und Wissenschaft leidet auch das Allgemeine Krankenhaus in Celle und sieht mindestens Nachbesserungsbedarf innerhalb der aktuellen Testverordnung.
Während diese für alle seit dem 1.7. kostenpflichtig sind, hat Lauterbach verkündet, dass diese für Besucher in Krankenhäuser kostenlos bleiben. Jedoch sehen diese wie das AKH sich nicht in der Lage, diese auch zu bescheinigen - und sorgen damit für Unmut unter Patienten und Besuchern, obwohl die Schuldfrage woanders zu suchen ist.
"Dürfen datenschutzrechtlich nicht bestätigen, dass eine Person eine andere Person besuchen will"
Anders als die Kassenärzte-Verbände unterstütze das AKH "den Grundgedanken der kostenfreien Bürgertestungen für Besucher in Krankenhäusern. Genau wie die Niedersächsische Krankenhausgesellschaft sieht aber auch das AKH noch Nachbesserungsbedarf bezüglich gewisser Aspekte innerhalb der aktuellen Coronavirus-Testverordnung", so AKH-Sprecher Tobias Mull auf Nachfrage von CELLEHEUTE. Dabei spielten unter anderem auch datenschutzrechtliche Aspekte eine Rolle. "Potentielle Besucherinnen oder Besucher sollten aus Sicht des AKH und der Krankenhausgesellschaft bei den Testzentren Selbsterklärungen abgeben – dieses sollte ausreichend sein", so Mull.
Ein Krankenhaus könne nicht "ohne weitere rechtliche Klarstellungen bestätigen, dass eine Person eine andere Person besuchen will. Für diese weiteren Klarstellungen müsste zum Beispiel auch die Patientin bzw. der Patient schriftlich um Einwilligung gebeten werden, da ansonsten keine Bescheinigung über den Krankenhausaufenthalt an Dritte weitergegeben werden darf. Jede entsprechende Bestätigung müsste dabei tagesaktuell ausgestellt werden, da keine künftigen Ereignisse bescheinigt werden dürfen. Aktuell warnt die Niedersächsische Krankenhausgesellschaft ihre Mitglieder vor der Unterzeichnung solcher oder ähnlicher Bescheinigungen und verweist eben auf die Abgabe von Selbsterklärungen direkt bei den Testzentren", so Mull abschließend. Aus Sicht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und aller Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) sei die Coronavirus-Testverordnung von Karl Lauterbach "absolut nicht machbar und umsetzbar", was sie dem Bundesgesundheitsminister auch geschrieben hätten.
"Praxen sind keine Kontrollbehörden und leiden jetzt schon unter der massiven Bürokratie“
„Nach der neuen Verordnung müssen nun zusätzlich detaillierte Anspruchsvoraussetzungen nachgewiesen werden, um Anspruch auf einen Bürgertest zu haben und diesen rechtskonform erbringen zu können. Die Prüfung all dieser neuen Vorgaben ist den Kassenärztlichen Vereinigungen erst recht nicht möglich“, schreiben die Vorstände der KBV und der KVen.
„Im Ergebnis können die KVen nicht verantworten, sehenden Auges Auszahlungen auf Abrechnungen zu leisten, deren Richtigkeit sie nicht ansatzweise prüfen können.“ Gassen kritisierte den Wust an zusätzlicher Bürokratie für die Praxen. „Die Praxen der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen sind keine Kontrollbehörden und leiden jetzt schon unter der massiven Bürokratie“, erläuterte Gassen.
Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV, unterstützt die Ansicht des AKH: „Wie soll am Empfangstresen geprüft werden, ob jemand beispielsweise einen Besuch bei einem Vorerkrankten plant und sich deshalb testen lassen will? Und wie ist der rechtliche Wert einer 'Selbsterklärungʻ zu sehen?“