CELLE. „Wir haben hier richtig Probleme“, antwortet Carola Beuermann auf die Frage, wie es aktuell um ihre Gemeinde bestellt ist. Eigentlich hat die Pastorin noch drastische Worte gewählt, denn die Lage in ihrer Kreuzkirche ist in der Tat: ziemlich beschissen. Während das Kirchengebäude in der Gemeinde Neuenhäusen lediglich etwas Wasser im Keller stehen hat, ist in der Windmühlenstraße 45 ein Abwasserrohr gebrochen – „und solange das Grundwasser von unten drückt, kann man das Rohr nicht reparieren“, erklärt Beuermann. Die Toiletten sind übergelaufen, in der Kirche liegen aktuell mehr Meter Schlauch als Bibeln aus. Immerhin haben die Hilfskräfte die Lage mit Pumpen unter Kontrolle gebracht. Wie hoch der Gesamtschaden ist, lässt sich allerdings noch nicht absehen.
Das Hochwasser im Landkreis hat auch die Gemeinden im evangelisch-lutherischen Kirchenkreis kalt erwischt. „Nicht so gut“, beschreibt Langlingens Pastorin Christine Schirrmacher die aktuelle Situation. Zwar liege die St. Johanniskirche auf dem höchsten Punkt von Langlingen und sei gegenwärtig nicht direkt vom Wasser betroffen, die nahe Aller hat jedoch den angrenzenden Friedhof beschädigt. „Einige Grabstellen sind bereits nicht mehr zu betreten“, sagt Schirrmacher, „und es ist zu befürchten, dass noch weitere Gräber vom Wasser unterspült werden.“ Sie selbst habe insbesondere bei der Jahresschlussandacht festgestellt, wie dringend die vom Hochwasser besonders gebeutelte Gemeinde derzeit Mut und Zuversicht benötige.
Im nahen Wienhausen ist die Lage dagegen erstaunlich ruhig. Während das an die St.-Marien-Kirche angrenzende Kloster in den vergangenen Tagen mehrfach im Blick der regionalen und überregionalen Medien stand, sogar wertvolle Schätze aus dem Klosterinneren gerettet werden mussten, sagt Pastor Christian Rebert: „Unsere Kirche hat zum Glück keinen Keller, das Wasser reicht nicht ran. Selbst der Keller im nahen Pfarrhaus ist noch trocken.“ Auch er hat sich im Gottesdienst mit dem Hochwasser befasst, selten habe Psalm 69 besser auf die Gegenwart gepasst: „Gott, hilf mir! Denn das Wasser geht mir bis an die Seele.“ Es sei vor allem den irdischen Einsatzkräften zu verdanken, dass bislang Schlimmeres verhindert wurde. Wie auch seine Kolleginnen und Kollegen in den anderen Gemeinden, ist Rebert überwältigt von der Hilfsbereitschaft. „Feuerwehr, THW und andere Organisationen leisten hier gerade sensationelle Arbeit. Dazu zeigt sich, wie intakt unsere Gemeinschaft ist“, sagt der Pastor. „Wenn hier Aufrufe zum Sandsäcke befüllen gestartet werden, stehen 20 Minuten später 100 Leute mit der Schippe bereit.“ Mit der Kirche, so der Pastor, habe das allerdings weniger zu tun. „Es ist die Gemeinschaft der Dörfer, die in dieser Notsituation so großartig funktioniert.“
Ähnliches vermeldet auch Natascha Keding aus Winsen. Die Pastorin hat in den vergangenen Tagen eine „sehr große Solidariät“ beobachtet. „Wenn hier Helferinnen und Helfer benötigt werden, ist zwischen 5 und 75 Jahren alles dabei.“ Die St.-Marien-Kirche selbst sei nicht betroffen, dafür aber viele Gemeindeglieder. „Wir versuchen mit Kleiderspenden oder Gutscheinen zu unterstützen“, sagt Keding, „den eigentlichen Job machen aber hier wie überall anders die Profis von Feuerwehr und THW.“
Auch in Nienhagen, Eschede, bei der Stadtkirchen-Gemeinde, in Eldingen, Wietzenbruch, Eicklingen, Hohne, Oldau oder Hambühren sind die Kirchengebäude vom Hochwasser weitestgehend verschont geblieben. Stellvertretend für seine Kolleginnen und Kollegen sagt Nienhagens Pastor Uwe Schmidt-Seffers: „Wir versuchen zu helfen, wo wir können, treten dabei aber weniger als Kirche, sondern vielmehr Teil der örtlichen Gemeinschaft auf.“ Ähnlich geht es Klein Hehlens neuem Pastor Carsten Junge - auch seine Kirche ist bislang trocken geblieben. Dafür kann eine von ihm begleitete Beerdigung nicht wie geplant stattfinden: „Das hohe Grundwasser macht die Bestattung unmöglich. Es wird deshalb nur eine Trauerfeier geben, die Beisetzung wird verschoben.“
Pastorin Uta Feddersen von der Gemeinde Neustadt macht sich weniger Sorgen um das eigene Kirchengebäude als die Notlage der vielen Menschen, die in ihrer Nachbarschaft vom hohen Pegelstand der Fuhse betroffen sind. „In 20 Häusern musste der Strom abgestellt werden, das ist für die Betroffenen eine sehr große Herausforderung, gerade in der kalten und dunklen Jahreszeit“, sagt Feddersen, die einige Gemeindeglieder bereits besucht hat und versuchte, die Rettungskräfte mit Kaffee zu versorgen. „Unsere Feuerwehr ist allerdings auch in dieser Hinsicht sehr gut aufgestellt“, so die Pastorin.
In der St.-Georg-Kirche in der Blumlage weiß man noch nicht, ob das Hochwasser für die gegenwärtigen Probleme verantwortlich ist. Eine Stunde vor dem Neujahrsgottesdienst wurden im Kircheninneren hundert Prozent Luftfeuchtigkeit gemessen. „Das Wasser lief von den Wänden, ein Gemeindeglied stützte auf dem feuchten Boden“, berichtet Detlev Meyer vom Kirchenvorstand. Er befürchtet, dass Wasser in die Schächte der Warmluftheizung geraten ist. Für die gerade erst frisch renovierte Kirche wäre das eine mittelschwere Katastrophe. Ähnlich kompliziert sieht es auch im Kirchenamt in der Berlinstraße 4 aus. „Wir sind abgesoffen“, gibt Amtsleiterin Astrid Bertram nüchtern zu Protokoll. Im Kirchenamt seien die Keller vollgelaufen, schlechte Nachrichten gibt es auch aus den Gebäuden in der Fritzenwiese und vom Harburger Berg.
Bertram befürchtet, dass sich die Situation im gesamten Kirchenkreis in den kommenden Tagen und Wochen noch verschlimmern könnte. Auf sie und ihre Kollegen wartet dann viel Arbeit. Nicht nur, was das Wasser in den eigenen Kellern angeht. Denn wie hoch die Schäden an den Gebäuden im Ev.-luth. Kirchenkreis Celle wirklich sind, lässt sich noch längst nicht beziffern.
Text: Alex Raack, Fotos: Carola Beuermann